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April 13, 2021

Der Vampir - eine Spurensuche

In Das Schwarze Auge kommt er vor, D&D hat ihm mit Ravenloft ein eigenes Szenario gewidmet und im Rollenspiel Vampire: Die Maskerade spielt er die Hauptrolle. Der Vampir ist fixer Bestandteil von Fantasy-Welten. Doch worauf fußen eigentlich die Geschichten vom Blutsauger? Eine Spurensuche.


Ernst Stöhrs Vampir erschien 1899 in der Zeitschrift Ver Sacrum


Wien, 1725. In der barocken Hauptstadt regiert Kaiser Karl VI., letzter männlicher Spross des Hauses Habsburg. Am Balkan führte der Kaiser Krieg. Mit Erfolg: Sieben Jahre ist es her, dass er im Frieden von Passarowitz den Türken Slawonien (Ost-Kroatien), Nordserbien, das Banat von Temeswar (Ungarn) und die Kleine Walachei (Rumänien) abgerungen hat. Doch der Frieden ist ein unruhiger. Und bald schon wird klar, dass der halbmondförmige Streifen eroberten Landes auch Heimat einer Seuche ist, die die Gelehrten der Monarchie für die nächsten 30 Jahre beschäftigen sollte.

In den Sommertagen des Jahres 1725 langt ein Schreiben am Wiener Hof ein. Absender ist ein kaiserlicher Militärbeamter, der für den Grenzdistrikt Gradisca in Slawonien verantwortlich ist. Er berichtet von einer unbekannten Seuche, die ein Dorf namens Kisolova heimgesucht habe. Innerhalb von acht Tagen sind neun Menschen, alte und junge, nach kurzer Krankheit verstorben. Schuld an ihrem raschen Tod seien, so schreibt der Beamte, blutsaugende Tote, «so sie vampyri nennen»*.

Ein slawonischer Vampir 


Die Bewohner des slawonischen Dorfes Kisolova sind Wehrbauern, die an den brüchigen Grenzen des Habsburger Reiches siedeln. Ihr Auftrag: Das Grenzland so lange gegen möglich einfallende Osmanen zu verteidigen, bis reguläre Truppen eintreffen. Im Gegenzug sind sie von Leibeigenschaft und Abgaben befreit. In seinem Brief beschreibt der kaiserliche Beamte, wie er das Dorf gemeinsam mit einem orthodoxen Priester aufsucht, um sich Klarheit über die Todesfälle zu verschaffen. 

Vor Ort erwarten ihn ein geöffnetes Grab und die drei Monate alte Leiche des Peter Plogojewitz. Dieser, so die feste Überzeugung der Dorfbewohner, sei schuld an den Todesfällen, indem er den Menschen ihr Blut ausgesaugt habe. Von der Leiche ging kein Verwesungsgestank aus, die Haut war rosig, Nägel und Haare nachgewachsen, schreibt der Beamte in seinem Bericht. Für die Grenzer das untrügliche Zeichen, dass es sich um einen Vampir handle. 

Weder durch gutes Zureden noch durch Drohungen können der Beamte und der Geistliche die Exekution der Leiche verhindern. Ein Mann schlägt dem Toten einen zugespitzten Holzpfahl ins Herz, daraufhin quillt Blut aus Nase, Ohren und Mund. Anschließend verbrennen die Dorfbewohner die Leiche am Scheiterhaufen. In seinem Brief entschuldigt sich der Beamte, dass er dieses Treiben nicht habe verhindern können. Aber der «vor Forcht ausser sich selbst gesetzte Pöfel» wäre davon nicht abzubringen gewesen. Der Fall wird dokumentiert und zu den Akten gelegt.

Tod an der Morava


Nordserbien, 1731. In den letzten Herbsttagen des Jahres sterben im Dorf Medwegya innerhalb von sechs Wochen dreizehn Menschen. Das Dorf liegt am Fluss Morava, die dort lebenden Heyducken sind Teil einer Milizkompanie, die die Reichsgrenze gegen die Türken verteidigen. Das für die Region zuständige Militärkommando entsendet den kaiserlichen Seuchenarzt Glaser. Am 12. Dezember trifft er im Dorf ein. 

Glaser geht von Haus zu Haus und untersucht die Bewohner, kann aber, bis auf Fieber, Brust- und Seitenstechen, die er auf ein Unmaß im Essen und Trinken zurückführt, keine Seuche diagnostizieren. 
Hingegen versichern ihm die Befragten, dass die Leute sterben, weil «die Vambyres, oder Bluthseiger, verhanden seynd». Das Sterben werde kein Ende finden, bis man die Vampire aus ihren Gräbern geholt und exekutiert habe, sind die Hajduken überzeugt. 

Der Arzt will der Sache auf den Grund gehen. Er lässt Gräber öffnen. Glaser ist erstaunt, als er die Leichen in einem Zustand der Unverwestheit findet, die Leiber aufgequollen mit frischem Blut im Mund, «welches mir selbst suspect vorkommet», wie er eingesteht. In seinem Schreiben unterstützt Glaser den Wunsch der Dorfbewohner, die Toten zu pfählen. Damit die Untertanen ihren Willen haben und nicht das Dorf aufgeben, wie er argumentiert. Zwischen den Zeilen hängt aber der Zweifel des gelehrten Arztes, der nicht erklären kann, was er in der feuchten Erde des Friedhofs vorgefunden hat.

Ratlose Gelehrte


Das militärische Oberkommando in Belgrad ist beunruhigt und ordnet eine «chyrurgische Visitation» an. Am 7. Jänner 1732 erreicht Regimentsfeldscher Johann Flückinger das Dorf Medwegya. Seine Nachforschungen ergeben, dass vor fünf Jahren ein Mann namens Arnont Paule sich beim Sturz von einem Heuwagen das Genick brach. Dieser habe zu Lebzeiten erzählt, er sei im Osmanischen Reich von einem Vampir angefallen worden. 

Etwa einen Monat nach dessen Tod berichteten Dorfbewohner, von Paule im Schlaf geplagt zu werden. Bald darauf seien diese Menschen gestorben. Die Heyducken öffneten daraufhin Paules Grab und fanden die Leiche unverwest. Daraus sahen sie, «daß er ein würklicher Vampir seye» und schlugen «nach ihrer Gewohnheit einen Pfahl durchs Herz», so Flückinger in seinem Bericht. Die vier Toten, die Paule nach Meinung der Dorfbewohner zu verantworten hatte, gruben sie ebenso aus, pfählten und verbrannten sie, um zu verhindern, dass auch sie als Vampire wiederkehrten. 

Arnont Paule sei daher der erste Vampir im Dorf Medwegya gewesen. Nach den 17 Toten der vergangenen drei Monate und den unverwesten Leichen sind die Dorfbewohner überzeugt, «daß sich wiederumben einige Vampyrs allhier befinden». Noch am selben Nachmittag lässt der Arzt 16 Gräber öffnen und obduziert die Leichen. Zehn davon, so wird der Regimentsfeldscher später aussagen, haben sich in ihren Särgen «im Vampirstande» befunden. Mit nachgewachsenen Finger- und Zehennägeln, Kleider und Leichentücher durchnässt von frischem Blut, das aus Ohren, Nasen, Mündern und Geschlechtsteilen floss. Hinweise auf Krankheiten habe auch er nicht gefunden. 

«Nach geschehener Visitation seynd denen Vampyren die Köpf durch die dasigen Zigeuners herunter geschlagen, und sambt denen Cörpern verbrent, die Aschen davon in den Fluß Morova geworfen», beendet der Arzt seinen Bericht.

Die Nachricht von der Vampirseuche gelangt über Belgrad und Wien bis in die Zeitungsredaktionen in Paris und London und an die sächsischen und thüringischen Universitäten, wo sie rege Diskussionen unter den Gelehrten auslöst. In den akademischen Abhandlungen wird der «Vampyrismus» nicht als Legende abgetan, sondern als Krankheit beschrieben.

Das Ende des Vampirs 


Wien, 1755. Kaiser Karl VI. ruht seit 15 Jahren in einem Sarkophag in der Kapuzinergruft. Seine Tochter Maria Theresia leitet jetzt die Geschicke der Monarchie. Im Jänner erreicht die Nachricht den Wiener Hof, wonach eine Vampirin in Mähren (heutiges Tschechien) gepfählt und verbrannt wurde. Auch in dieser Gegend der Habsburger Monarchie ist die Vampirtradition verwurzelt: Bereits 1731 wurden neun Vampire bei Olmütz am Scheiterhaufen verbrannt, darunter sieben Kinder. 

Die aufgeklärte Monarchin will dem Treiben ein Ende setzen und beauftragt ihren Leibarzt Gerard van Swieten Licht in die Sache zu bringen. In seinem Vampirismus-Pamphlet kommt er zu dem Schluss, dass das Phänomen auf natürliche Ursachen wie Gärungsprozesse und Luftmangel, der die Verwesung verhindere, zurückzuführen sei. Das Sterben sei eine Folge von Seuchen, die später als Milzbrand oder Tollwut identifiziert werden. Er schreibt, «dass der ganze Lärm von nichts andern herkömme, als von einer eitlen Furcht, von einer aberglaubischen Leichtglaubigkeit, von einer dunklen und bewegten Phantasey, Einfalt und Unwissenheit bei jenem Volke». 

Maria Theresia folgt der Erkenntnis ihres Leibarztes und verbietet per Erlass die traditionellen Abwehrmaßnahmen gegen Vampire: das Köpfen, Pfählen und Verbrennen von Leichen. Zehn Jahre später wird Vampirismus nicht mehr als Krankheit diskutiert, sondern ist in den Enzyklopädien in die Rubrik «Geschichte des Aberglaubens» verbannt.


Die Auferstehung


Während der Vampir sich aus der Alltagswelt der Menschen zurückzog, hielt er mit Beginn des 19. Jahrhunderts Einzug in die Welt von Literatur und Film. Von John Polidoris The Vampyre (1819) und Alexej Tolstois Die Familie des Wurdalak (1839) über Bram Stokers Dracula (1897) und den von Friedrich Wilhelm Murnau inszenierten Film Nosferatu (1922) bis zu diversen Hollywood-Produktionen. Die Faszination für die Kreatur aus dem Grab hat sich bis heute gehalten.

* Die Zitate stammen aus dem Buch "Mortuus non mordet. Kommentierte Dokumentation zum Vampirismus 1689–1791" von Klaus Hamberger. Die zitierten Briefe und Berichte sind im Hofkammerarchiv in Wien aufbewahrt. 

The vampire - a search for traces

He appears in the role-playing game The Dark Eye, D&D has dedicated the scenario Ravenloft to him, and he plays the leading role in Vampires: The Masquerade. The vampire is an integral part of fantasy worlds. But what is behind the stories about the bloodsucker?

A search for traces in the borderlands of the past Habsburg monarchy.


Ernst Stöhr's Vampire appeared in 1899 in the magazine Ver Sacrum


Vienna, 1725: Emperor Charles VI, the last male scion of the House of Habsburg, reigns in the baroque capital. The emperor waged a successful war in the Balkans: seven years have passed since he wrested Slavonia (eastern Croatia), northern Serbia, the Banat of Timisoara (Hungary) and Little Wallachia (Romania) from the Turks. But the peace is an uneasy one. And it soon became clear that the crescent-shaped strip of conquered land is home to a plague that is to occupy the monarchy's scholars for the next 30 years.

In the summer days of 1725, a letter arrives at the Viennese court. The sender is an imperial military official responsible for the border district of Gradisca in Slavonia. He reports an unknown plague that has struck a village called Kisolova. Within eight days, nine people, old and young, died after a short illness. The official writes that bloodsucking dead people, "they call vampyri, "* are to blame for their rapid deaths.

A Slavonian vampire 


The inhabitants of the Slavonian village of Kisolova are so called Wehrbauern. Farmers who settle on the fragile borders of the Habsburg Empire with the mission to defend the borderland against possible invading Ottomans until regular troops arrive. In return, they are exempt from serfdom and taxes. In his letter, the imperial official describes how he visits the village together with an Orthodox priest to get clarification about the deaths. 

On the spot, an open grave and the three-month-old corpse of Peter Plogojewitz await him. The villagers were convinced that the corpse was responsible for the deaths by sucking the people's blood. The corpse did not emit the stench of decay, the skin was rosy, nails and hair had grown back, the official wrote in his report. For the border guards, this was an unmistakable sign that it was a vampire. 

Neither by good coaxing nor by threats can the official and the clergyman prevent the execution of the corpse. A man drives a sharpened wooden stake into the dead man's heart, and blood gushes out of his nose, ears and mouth. The villagers then burn the corpse at the stake. In his letter, the official apologizes that he could not have prevented this deed. But the "rabble was beside himself with fear“ and would not have been able to dissuade from it. The case is documented and filed away.

Death on the Morava


Northern Serbia, 1731. In the last days of autumn, thirteen people die in the village of Medwegya within six weeks. The village is located on the Morava River, and the Heyducks living there are part of a militia company defending the imperial border against the Turks. The military command responsible for the region sends the imperial epidemiologist Glaser. He arrives in the village on December 12. 

Glaser goes from house to house and examines the inhabitants, but cannot diagnose any epidemic except for fever, chest and side stitches, which he attributes to an excess in eating and drinking. On the other hand, the interviewees assure him that the people are dying because "the Vambyres, or Bluthseiger, are present“. The deaths will not end until the vampires are taken out of their graves and executed, the hajduks are convinced. 

The doctor wants to get to the bottom of the matter. He has graves opened. Glaser is astonished when he finds the corpses in a state of undecayedness, the bodies swollen with fresh blood in the mouth, "which seems suspect to me myself," he admits. In his letter, Glaser supports the villagers' desire to stake the dead. So that the subjects have their way and do not abandon the village, as he argues. But between the lines hangs the doubt of the learned doctor, who cannot explain what he found in the damp earth of the village cemetery.

Perplexed scholars


The military high command in Belgrade is concerned and orders a "chyrurgical visitation". On January 7, 1732, regimental sergeant Johann Flückinger arrives in the village of Medwegya. His investigations reveal that five years ago a man named Arnont Paule broke his neck falling from a hay cart. The latter had told during his lifetime that he had been attacked by a vampire in the Ottoman Empire. 

About a month after the latter's death, villagers reported being plagued by Paule in their sleep. Soon after, these people died. The Heyducks then opened Paule's grave and found the body unbroken. From this they saw "that he was a real vampire" and, "according to their custom, drove a stake through his heart," according to Flückinger in his report. The four dead, for which the villagers believed Paule was responsible, they also dug up, staked, and burned in order to prevent them from returning as vampires as well. 

Following the beliefs of the people Arnont Paule was therefore the first vampire in the village of Medwegya. After the 17 deaths of the past three months and the undecomposed corpses, the villagers are convinced "that there are again some vampyrs here". That same afternoon, the doctor has 16 graves opened and autopsies the bodies. Ten of them, the regimental sergeant will later testify, have been "in the vampire state" in their coffins. With regrown finger and toe nails, clothes and shrouds soaked with fresh blood flowing from ears, noses, mouths and genitals. He also found no evidence of disease. 

"After the visitation, the heads of the vampires were cut off by the gypsies and burned along with their bodies, the ashes thrown into the Morova River," the doctor concluded his report.

Via Belgrade and Vienna the news of the vampire epidemic reaches the newspaper editors in Paris and London and the universities in Saxony and Thuringia, where it triggers lively discussions among scholars. In many of the books and treatises of the time "vampyrism" is not dismissed as a legend, but described as a disease.

The end of the vampire 


Vienna, 1755: Emperor Charles VI has been resting in his sarcophagus in the Capuchin crypt for 15 years. His daughter Maria Theresa is now in charge of the monarchy. In January, news reaches the Viennese court that a vampiress has been staked and burned in Moravia (today's Czech Republic). The vampire tradition is also rooted in this region of the Habsburg monarchy: As early as 1731, nine vampires were burned at the stake near Olomouc, including seven children. 

The enlightened monarch wants to put an end to the goings-on and commissions her personal physician Gerard van Swieten to shed light on the matter. In his vampirism pamphlet, he concludes that the phenomenon is due to natural causes such as fermentation processes and lack of air, which prevents decomposition. The dying, he says, was a result of epidemics later identified as anthrax or rabies. He writes that "all the noise comes from nothing but a vain fear, from a superstitious credulity, from a dark and agitated phantasy, simplicity and ignorance among that people". 

Maria Theresa follows the insight of her personal physician and bans by decree the traditional defensive measures against vampires: beheading, impaling and burning corpses. Ten years later, vampirism is no longer discussed as a disease, but is relegated to the "history of superstition" section in encyclopedias.

The Afterglow


While the vampire retreated from the everyday world of humans, he entered the world of literature and film with the beginning of the 19th century. From John Polidori's The Vampyre (1819) and Alexei Tolstoy's The Family of Wurdalak (1839) to Bram Stoker's Dracula (1897) and the film Nosferatu (1922), directed by Friedrich Wilhelm Murnau, to various Hollywood productions. The fascination with the creature from the grave has endured to this day.



* The quotes are taken from the book „Mortuus non mordet. Kommentierte Dokumentation zum Vampirismus 1689-1791“ by Klaus Hamberger. The letters and reports cited are preserved in the Hofkammerarchiv in Vienna.