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November 24, 2021

Rollenspiel in den 70ern und heute


Der Begriff Rollenspiel geht auf die Anfänge von Dungeons&Dragons zurück. Doch was verstanden die frühen Spieler darunter? Stand das konsequente Spielen der Rollen im Vordergrund, oder legten sie mehr Wert auf Charakter-Optimierung? Und wie wichtig waren Regeln und Würfelergebnisse gegenüber einem frei erzählten Spiel? 

Der folgende Blogbeitrag wirft einen Blick auf die Anfänge des Rollenspiel-Hobbys.




Fan-Zines als Geburtshelfer des Rollenspiels


Das 1974 erschienene D&D gilt als erstes Rollenspiel. Sieht man sich die Originalausgabe von damals jedoch genau an, wird man feststellen, dass der Begriff Rollenspiel in keinem der drei Bände zu finden ist.

Der Untertitel von Dungeon&Dragons lautete "Rules for Fantastic Medieval Wargames Campaigns“ und verweist damit auf jene Tradition, aus der heraus D&D sich entwickelt hatte: Dem Kriegsspiel mit Miniaturen.

Der Begriff Rollenspiel setzte sich erst nach der Publikation des ersten D&D-Regelwerks durch. Was genau darunter zu verstehen ist und wie dieses Rollenspiel am Spieltisch umzusetzen sei, darüber diskutierte die Gamer-Community in den Fan-Zines der 70er und frühen 80er. Jon Peterson hat diese Debatten in seinem Buch The Elusive Shift untersucht. 

Gary Gygax war ein langjähriger Wargamer bevor er Dungeons&Dragons publizierte und auch die ersten Spieler kamen zum großen Teil aus der Wargaming-Community. Das ist wichtig, um die Debatte rund um D&D zu verstehen, wie sie sich in den Beiträgen und Leserkommentaren der damals noch sehr zahlreichen Print-Magazine entspann.

Es dauerte, bis sich das Verständnis von Spiel, wie die Community es aus Wargames kannte, zu etwas Neuem verschob, das uns heute unter dem Begriff Rollenspiel bekannt ist.

Vom "Modern War" zum Dungeon Crawl


Zahlreiche Elemente aus D&D waren Wargamern bereits bekannt. So wurde die Idee, wonach die Spieler nicht ganze Armee-Einheiten, sondern einzelne Figuren steuern, bereits bei Michael Korns' 1966 erschienenem „Modern War in Miniature“ umgesetzt. 

Bei diesem Kriegsspiel treten wie gewohnt zwei Spieler gegeneinander an. Allerdings haben die Spieler nicht, wie bei Wargames üblich, den gesamten Überblick über Anzahl und Stärke der eigenen und gegnerischen Einheiten. Vielmehr wissen sie nur, was die von ihnen gesteuerte Spielfigur in jedem Augenblick der Schlacht wissen kann.

Das ging so weit, dass Spieler auch über exakte Wirkung von Waffen oder Geschwindigkeit von Fahrzeugen nicht Bescheid wussten. Die Spieler beschrieben, welche Aktionen ihre Soldaten-Figur durchführte, der Spielleiter berechnete anhand (geheimer) Tabellen und Formeln den Ausgang.

Der folgende Dialog aus dem Regelwerk von "Modern War in Miniature" beschreibt ein Gefecht zwischen deutschen und US-amerikanischen Soldaten und zeigt, wie die Kommunikation zwischen Spielern und Spielleiter verlief:

Spielleiter (SL): "Eine Gewehrkugel trifft dich in die Seite. Ihr Aufprall hat dich tiefer in den Schützengraben gestoßen. Du blutest aus dem Mund. Du siehst, wer dich angeschossen hat. Der Amerikaner ist links von dir, etwa 12 Meter entfernt. Er läuft mit seinem Bajonett auf dich zu."
Spieler (S): "Kann ich mich bewegen?"
SL: "Ja, aber du bist fast bewusstlos."
S: "Ich drehe mich um und feuere meine Schmeisser auf ihn ab."
SL:" Er kommt rasch näher. Du verschießt deine Kugeln in einem weiten Bogen, als du dich umdrehst. 7 Meter, 4 Meter, 1 Meter, ich befürchte, du bist tot."

Im Hintergrund des Dialogs berechnete der SL den Schaden von Gewehr- und Pistolenkugeln, die Trefferchance und die Geschwindigkeit des US-Soldaten, der auf den Deutschen zustürmt. Eine Spielrunde entsprach dabei zwei Sekunden.

Das alles erinnert schon ziemlich stark an das, was Gygax acht Jahre später in seinem D&D-Regelwerk präsentierte. Doch anders als Korns' Regelwerk, das eine ganz gute Vorstellung davon liefert, wie das Spiel in der Praxis ablief, blieb Gygax bei seinen Regeln an vielen Stellen vage.

Vielmehr ermunterte er Spieler und Spielleiter aus dem gegebenen Regelgerüst zu machen, was ihnen beliebte: „... es sind Richtlinien, aus denen jeder seine eigene fantastisch-mittelalterliche Kampagne erschaffen kann", schrieb Gygax im Vorwort des ersten Bandes. "[Die Richtlinien] liefern den Rahmen, innerhalb dessen sich ein sehr einfaches oder enorm komplexes Spiel basteln lässt ...“

Spielleiter: Gegner der Spieler oder neutraler Schiedsrichter?


Das lose D&D-Regelwerk ließ viele Fragen offen. Ein Brennpunkt zahlreicher Debatten war der Spielleiter und dessen Rolle im Spiel. Denn anders als bei Wargames vermittelte er nicht zwischen zwei gegnerischen Parteien, sondern verwaltete die Gegner der Spieler, die gemeinsam und nicht gegeneinander antraten. Waren Spielleiter und Spieler daher Gegner? Und falls ja, wie hart durfte der Spielleiter bzw. wie nachgiebig musste er sein?

Was für uns heute klar scheint (der SL sollte möglichst neutral sein), wurde anfangs nicht immer so umgesetzt. Stevenson berichtet in seinem Buch "Elusive Shift" von Clubs in den USA, wo der Gamemaster bei D&D-Runden gegen die Spieler antrat. Viele GM brüsteten sich mit hohen Prozentsätzen an Todesfällen bei Spielerfiguren, die sich in ihre Dungeons wagten. Für die geplagten Spieler war es daher vielerorts üblich, NSC zu engagieren, die alle möglichen verdächtigen Knöpfe und Hebel drückten, um die Hauptcharaktere vor den tödlichen Fallen zu schützen.

Berühmt ist Gary Gygax' Tomb of Horrors, das er bei der ersten Origins Spielemesse 1975 in Colombo vorstellte. Das Abenteuer war ein Spießrutenlauf aus willkürlichen Fallen, einstürzenden Gewölben, Fallgruben, tödlichen Giftwolken und unvorhersehbaren Hinterhalten, wie Teilnehmer es beschreiben. Einer der Spieler soll frustriert über Gygax' Stil das Spiel als Dungeon-Roulette bezeichnet haben.

Story vs Regelwerk


Eine andere Frage, die die frühe Community umtrieb, war, wieviel Story und wie viel Regelwerk das Spiel brauchte.

Die einen wollten durch das Spiel eine Geschichte erleben, die möglichst nicht durch Regeln oder zu viel Würfelei aufgehalten werden sollte. Die anderen bevorzugten ein mehr strategisch ausgerichtetes Spiel, das nur möglich sei, wenn Spieler die Regeln kannten und Einsicht in die Stärken und Schwächen ihrer Spielfiguren hatten.

Es gab Spielrunden, bei denen der Spielleiter alle Würfe anstelle der Spieler durchführte (und die Ergebnisse für sich behielt). Das schloss auch die Verwaltung der Lebensenergie der Spielfiguren mit ein. Die Spieler verfügten daher ausschließlich über jene Informationen, über die auch deren Charaktere zum gegebenen Zeitpunkt verfügten (der Spieler wusste daher nur, dass seine Spielfigur sich schwach fühlt und viel Blut verliert, nicht aber, dass sie nur mehr 3 Lebenspunkte besitzt).

Das Gegenteil davon waren jene Spieler, die D&D in der Tradition von Wargames als Simulation spielten. Sie kannten nicht nur die Würfelmechanismen im Detail und wussten zu jeder Zeit über die Werte ihrer Figuren Bescheid, sondern auch über jene ihrer Gegner, inklusive deren Lebenspunkte und magische Eigenschaften. Ihr Argument war, dass nur durch Einsicht in Regeln und Würfelmechanismen Risiken für die Spieler abschätzbar seien und im Sinne eines strategischen Spiels sinnvolle Entscheidungen getroffen werden können.

Das D&D Regelwerk ließe beide Zugänge zu. Bis heute sind diese Richtungen im Hobby vertreten. 

Neue (alte) Fragen


1977 tauchte der Begriff Rollenspiel schließlich im (etwas sperrigen) Titel des neuen Dungeons&Dragons Basic Set auf: Rules for Fantastical Medieval Role Playing Adventure Game Campaign.

Das neue Regelwerk brachte mehr Klarheit und füllte einige der Lücken aus der ersten Version von D&D. Im Laufe der Jahre etablierte sich der Spielleiter als neutraler Moderator, ging die Sterblichkeit in den Dungeons deutlich zurück; die Gegner wurden den Stufen der Spielfiguren angepasst, womit auch die NSC an Bedeutung verloren (Ein Gegensteuern zu diesem Trend erlebt die Szene seit Mitte der 0er Jahre mit dem Aufkommen der OSR).

Zahlreiche der heute im Hobby neu diskutierten Fragen sind eigentlich sehr alte, die seit Beginn des Hobbys immer wieder neu gestellt werden: Wie autoritär darf/soll der Spielleiter sein? Wie viel SL braucht ein Spiel überhaupt? Soll mehr Wert auf Würfelei und Werte-Optimierung, oder auf Rollenspiel gelegt werden? Geht's auch ganz ohne Würfel? 

Endgültig zu klären werden diese und ähnliche Fragen nie sein. Vielmehr wird sie jede Spielergeneration für sich beantworten müssen. Und das ist gut so. Denn genau diese Unschärfe, wie sie seit dem ersten D&D-Regelwerk von Gary Gygax existiert, ist Kern der Kreativität des Hobbys.


September 21, 2021

Wer braucht Henchmen & Hirelings?

Henchmen & Hirelings sind ikonische Figuren aus den frühen Zeiten des Dungeons&Dragons Universums. Heute sind sie rar geworden. In der aktuellen Version des D&D-Regelwerks nehmen sie nur eine Nebenrolle ein.

Woran liegt es? Hat sich der Spielstil so sehr verändert, dass H&H nicht mehr gebraucht werden? Oder sind die (rollen-)spielerischen Möglichkeiten in Vergessenheit geraten, die sich durch den Einsatz dieser Figuren bieten?

Zeit für einen Rückblick auf die 70er und 80er, als H&H noch fester Bestandteil des Spiels waren.

Bild: Mariela Schöffman


Bereits im ersten Band des D&D Regelwerks von 1974 widmet Gary Gygax dem Anwerben von NSC knapp zwei Seiten:

„In all probability the referee will find it beneficial to allow participants in the campaign to "hire into service" one or more characters.“

In den folgenden Ausführungen unterscheidet Gygax zwischen Söldnern (Mercenaries) und dem Gefolge (Entourage). Erstere bezeichnen NSC, die für ein Abenteuer angeheuert werden, einen Anteil an der Beute erhalten und anschließend wieder ihrer Wege ziehen. Das Gefolge hingegen sind NSC, die dem Spielercharakteren langfristig dienen.

Doch wozu ein Gefolge? In den frühen Zeiten des Hobbys war es üblich, dass die SC ab einer bestimmten Stufe das Dungeon-Erkunden an den Nagel hängten und sich statt dessen zu Herren über Burgen und Schlösser machten. Politische Ränkespiele, Kriege und die Verwaltung von Landstrichen rückten in den Vordergrund des Spiels. Doch wer herrschen will, braucht jene, denen er befehlen kann. Daher das Gefolge. 

Entscheidende Frage bei jeder Gefolgschaft ist die Loyalität, die vor allem dann auf die Probe gestellt wird, wenn Gefährliches von den Untergebenen abverlangt wird. Auch dazu hat Gygax sich Gedanken gemacht: Um mögliche Versuche der Spieler zu unterbinden, die NSC anstelle der SC gefährlichen Situationen auszusetzen, schreibt er:

„Men, dwarves and elves will serve as retainers with relative loyalty so long they receive their pay regularly, are treated fairly [and] are not continually exposed to extra-hazardous duty ...“

Sollte ein NSC dennoch in eine extrem gefährliche Lage geraten (oder getrieben werden), wird daher ein Probewurf auf Moral fällig. Scheitert die Probe, weigert der NSC sich die Handlung auszuführen oder läuft davon.

Gefolgsleute gesucht!


Doch wo finden die Spieler jene, die mutig oder verzweifelt genug sind, sich von ihnen anwerben zu lassen? Gygax schlägt vor, in Gasthöfen und Tabernen Zettel zu hinterlassen mit dem Hinweis, dass die SC Handwerker und Söldner anheuern. Ebenso könnten die Spieler bezahlte Ausrufer an öffentliche Orte schicken, wo diese lautstark verkünden, welche Art von Spezialisten die SC suchen. Wollen die Spieler gezielt Elfen oder Zwergen anstellen, müssten sie Boten in deren Länder schicken.

Ist erst einmal ein passender Kandidat gefunden, muss dieser überzeugt werden in die Dienste der SC zu treten. Gygax schlägt hundert Goldstücke als Minimalgebot vor, um dem potentiellen Gefolgsmann eine Zusage zu entlocken. Zwerge würden tendenziell mehr verlangen, Magier könnten durch das Überlassen seltener Gegenstände ins Dienstverhältnis gelockt werden, Kleriker mit der Aussicht auf einen eigenen Kultplatz für ihre Gottheit.

Dabei wird rasch klar: Der Unterhalt von Söldnern und Gefolge ist nicht billig ist. Zusätzlich zu den hundert Goldstücken wollen sie einen Anteil an der Beute oder erwarten monatliche Zahlungen, Verpflegung und Unterkunft.

Zwischen Erfolg und Niederlage


Im AD&D-Regelwerk von 1978 treten erstmals die ikonischen Begriffe „Henchmen“ und „Hirelings“ auf  – im folgenden als Gefolgsleute und Mietlinge bezeichnet.

Worin unterscheiden sie sich? Während der Mietling eine Art bezahlter Arbeiter ist (Schmied, Kutschenfahrer, Wache, usw.) ist der Gefolgsmann dem SC persönlich verbunden. Dazu Gygax:

„A henchman is a more or less devoted follower of a character. In return of use of his or her abilities and talents, the henchman receives support, lodging, and a share of his or her master's or mistress' earnings ...“

Im 1979 erschienenen Dungeon Master’s Guide geht Gygax noch etwas genauer auf den Typus Gefolgsmann (Henchman) ein:

”Henchmen, whether male or female, are greatly desired by the discerning players, for they usually spell the difference between failure and success in the long term view. They are useful in individual adventures as a safety measure against the machinations of rival player characters, provide strength to the character and his stronghold, and lastly serve as a means of adventuring when the player character is unable to.“

Interessant an diesem Absatz ist, dass es in Gygax' Spielrunden offenbar zu Konflikten zwischen den SC kam (rival player characters), was sicher mit den unterschiedlichen Alignments der Charaktere zu tun gehabt hatte. Wenn Spieler A weiß, dass dem chaotisch-bösen Dieb von Spieler B nicht zu trauen ist, wirbt er natürlich Gefolgsleute an, die seinem SC den Rücken frei halten. Klingt nach Spass.

Weiters erfahren wir, dass es offenbar üblich war, Gefolgsleute anstelle der SC auf Abenteuer zu schicken. Sei es, weil der SC verwundet war oder sich (als Burgherr) um wichtigere Angelegenheiten kümmern musste. Eine interessante Möglichkeit Ersatzcharaktere aufzubauen, für den Fall, dass der Hauptcharakter einmal stirbt.

Mehr Schlagkraft, weniger XP


In den D&D Basic Rules von 1981 verfeinert Tom Moldvay den Prozess des Anwerbens von NSC. Dazu führt er eine Tabelle ein, um auszuwürfeln, wie mögliche Gefolgsleute und Mietlinge auf Anwerbungen reagieren.

Je nach dem, wie gut das Angebot und wie hoch der Charisma-Wert des SC ist, erhält der Spieler auf den Würfelwurf (2W6) Boni oder Mali. Am Ende willigt der NSC ein oder lehnt das Angebot entrüstet ab (sollte der SC recht knausrig sein, spricht sich das natürlich herum und wirkt sich negativ auf zukünftige Versuche aus, NSC anzuwerben).

Was bereits im AD&D-Regelwerk von 1978 angedeutet wurde, verdeutlichen die Basic Rules: Mietlinge und Gefolgsleute kosten nicht nur Gold, sondern auch XP. Werden am Ende eines Dungeon-Crawls die geborgenen Schätze und XP verteilt, erhält jeder NSC einen vollen Anteil daran. Was bedeutet: Je mehr Gefolgsleute und Mietlinge im Dungeon, desto weniger XP für die SC und desto langsamer erreichen sie neue Stufen. 

Mietlinge und Gefolgsleute für Dungeon-Abenteuer anzuwerben, ist daher ein zweischneidiges Schwert. Kosten und Nutzen halten die Waage was dazu führt, dass Spieler NSC nur sehr gezielt als Hilfskräfte einsetzen.

Wir heuern an!


Egal ob sie als Gefolgsleute und Mietlinge, als Fackelträger oder Söldner auftreten, angeheuerte NSC können das Spiel in jedem Fall bereichern. Wichtig ist dabei aber - das haben uns die Regeln aus den 70ern und 80ern gezeigt - dass Kosten und Nutzen die Waage halten und sie von den Spielern nicht als Kanonenfutter gegen allzu schwere Gegner oder Fallen missbraucht werden.

Da Burgen-Herrschafts-Abenteuer heute etwas aus der Mode gekommen sind und ein umfangreiches Gefolge daher eher nicht nötig ist, macht es wahrscheinlich Sinn die NSC auf einfache Träger und Spezialisten zu reduzieren.

Der Rucksack des Trägers fasst eine bestimmte Anzahl von Gegenständen - Schätze, Ausrüstung, Ersatzwaffen -, die sie gegen Bezahlung schleppen. Sie sind billiger als Spezialisten, kämpfen aber nur, um sich zu verteidigen und weigern sich, gefährliche Aktionen durchzuführen.

Spezialisten hingegen (Söldner, Diebe, Magier, usw.) verlangen einen vollen Anteil an der Beute, sind dafür aber auch bereit zu kämpfen. Werden sie extrem gefährlichen Situationen ausgesetzt, wirft der Spieler eine Probe auf ihren Moral-Wert. Um den SC nicht die Show zu stehlen, sollten die angeworbenen Spezialisten immer niedrig-stufiger sein als die Spielerfiguren.

Die NSC agieren normalerweise als eigenständige Figuren, was bedeutet, dass sie im Kampf ihren eigenen Attackewurf bekommen. Um Zeit zu sparen, könnte anstelle des Attackewurfes der SC einen Kampfbonus durch den Gefolgsmann an seiner Seite erhalten.
Denkbar wäre ein Bonus auf den Attacke- oder Schadenswurf, ein erhöhter Rüstungswert oder, im Falle eines tödlichen Treffers, eine 50-prozentige Chance, dass der Gefolgsmann an Stelle des SC stirbt.

Damit sich Gefolgsleute nicht nur technisch bemerkbar machen (höhere Tragkapazität, zusätzliche AT-Würfel), sollte der Spielleiter ihnen einprägsame Charakterzüge verpassen. Diese sollten auch herausfordernde Elemente beinhalten.

Der Kriegsveteran mag zwar ein ausgezeichneter Armbrustschütze sein, verliert aber völlig die Nerven, sobald jemand seine fehlende Kopfbehaarung anspricht. Die Diebin mit den schnellen Fingern knackt zwar fast jedes Schloss, kann aber glitzernden Steinen nicht widerstehen, die sie sofort verschluckt, um sie unmissverständlich für sich in Besitz zu nehmen.

Nicht nur bieten diese Charakterzüge viel Potential für Rollenspiel im Dungeon, sie erinnern die Spieler auch daran, dass angeheuerte NSC Dinge nicht nur erleichtern, sondern an anderer Stelle auch verkomplizieren können.

In diesem Sinne: Verteilt Flugblätter, schickt Stadtschreier aus und gebt den Henchmen und Hirelings eine Chance!

Wie sieht es an euren Spieltischen aus? Sind H&H Teil eures Spiels oder verzichtet ihr auf sie?

August 09, 2021

Review: The Saint of Bruckstadt

Over there at RPG Overview Brandon Goeringer did an extensive video-review of our OSR-adventure The Saint of Bruckstadt. His conclusion: "Highly recommended".



 

Juli 30, 2021

Der Tempel des Frosches

„Tief in den urzeitlichen Sümpfen des Düster-Sees, verhüllt von ewigem Nebel, liegt die Stadt der Brüder des Sumpfes.“

Mit dieser Zeile beginnt das erste, jemals von TSR publizierte Abenteuer „Tempel des Frosches" (Temple of the Frog). Das 20-seitige Szenario war Teil des zweiten Ergänzungsbandes zum D&D-Regelwerk: Blackmoor. Der von Dave Arneson verfasste Text erschien 1975.






Worum geht’s?


Die sogenannten Brüder des Sumpfes sind eine Vereinigung von Mönchen unter Führung eines Priesters, die ein radikales Ziel verfolgen: Da sie erkannt haben, welche Gefahr vom Mensch für alles Leben auf der Erde ausgeht, beschlossen sie, das Ende der menschlichen Spezies herbeizuführen. In den Kellern ihres Tempels züchten sie daher Killer-Frösche: „... einen halben Meter lang, mit Rasiermesser-scharfen Zähnen und Krallen, um jedes Opfer, das sie auf Befehl hin angreifen, zu zerfleischen.“

Konsequent zu Ende gedacht, müssten die Mönche sich irgendwann selbst den Fröschen zum Fraß vorwerfen. Ob sich die Gemeinschaft dessen bewusst ist, wird im Text nicht weiter ausgeführt. Zu fragen wäre außerdem, ob diese Killer-Frösche, nachdem sie die Menschheit ausgerottet haben, auch alle anderen Lebewesen auffressen werden und die Menschheit, in Gestalt der Mönche, erst recht dafür verantwortlich wäre, alles Leben auf der Erde ausgelöscht zu haben (denn spätestens wenn sie nichts mehr zu fressen haben, sterben auch die Killer-Frösche).

Doch für philosophische Überlegungen dieser Art bleibt keine Zeit. Wegen Spannungen innerhalb der Bruderschaft und einer handvoll Banditen, die eigene Interessen verfolgen, gerät der Plan, die Welt zu retten, ins Hintertreffen. Bis zu dem Tag, an dem ein ominöser Fremder namens Stephan der Stein (Stephen the Rock) auftritt. Durch List und Gewalt wird er zum neuen Hohepriester, zähmt die Banditen und lässt den Tempel zu einer Festung ausbauen. 

Besuch aus dem Weltall


Auf diese zweiseitige Einführung folgt die Beschreibung des Tempels, der Wehranlagen und der Keller, die durch insgesamt sechs handgezeichnete Karten der Anlage veranschaulicht wird.

Dem Leser des Textes wird rasch klar, dass der Tempel ausgesprochen gut bewacht ist. Wehrmauer, Türme, ein Graben, Zugbrücke, Eisentore, Katapulte, Speerschleudern und Patrouillen bei Tag und Nacht - Die Tempelfestung kann dem Angriff einer kleinen Armee durchaus standhalten.

Der Tempel und seine Räume sind detailliert beschrieben, tiefgehende Beschreibungen der Figuren (Motive, Ziele, Aussehen) sucht man jedoch vergebens. Selbst vom Hohepriester, Stephan der Stein, erfahren wir nur, dass er eine besondere Rüstung trägt, magische Waffen führt und eine fliegende Erste-Hilfe-Apparatur inklusive Kommunikationsanlage besitzt, über die er mit einer, um die Erde kreisenden Satelliten-Station in Verbindung steht. 

Ja, eine Satelliten-Station. Denn, wie wir erfahren: „[Stephan der Stein] ... ist nicht aus der Welt von Blackmoor, sondern ein intelligenter Humanoid von einer anderen Welt/einer anderen Dimension.“

Darüber hinaus bleibt der Außerirdische aber blass. Wir es aussieht, wie er sich gegenüber seinen Untergebenen verhält, wie ein Gespräch mit ihm verlaufen könnte, erfahren wir nicht. Nur, dass er sich in der Rolle des Hohepriesters und Herrschers gefällt.

Ein Himmelfahrtskommando?


Die Beschreibung des Tempels gibt einen vorwiegend strategisch/taktischen Blick auf die Anlage; Wie dick sind die Mauern, wie stabil die Tore und Türen? Wo sind Wachen aufgestellt und woher kommt gegebenenfalls Verstärkung? 

Die Leser erfahren, dass die Anlage von einer überwältigenden Menge an Feinden bewacht wird: Neben Ordensbrüdern und Banditen treffen die Spieler auf Riesenschlangen und -Ratten, Trolle, Ghoule, Medusen und Froschmenschen. Im Graben um den Tempel und im Zuchtteich lauern 1.200 Killer-Frösche. Auf der Wehrmauern patrouillieren zu jeder Zeit 150 Wachen. Im ersten Kellerstockwerk unterhalb des Tempels sind weitere 1.000 Wachen bereit, um bei einem möglichen Angriff einzugreifen. 

Liest man diese Beschreibung, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es sich hierbei um ein Szenario für ein Strategiespiel handelt, mit der Mission, einen befestigten Tempel zu erstürmen. Eine Spielergruppe von vier bis sechs Charakteren, wie sie heute üblich sind, wird dazu allerdings nicht ausreichen. 

Massenkampf mit Chainmail


Die Sache wird rasch klarer, hält man sich vor Augen, dass die Spielrunden der 70er Jahre aus 50 und mehr Spielern bestehen konnten. Hatten deren Charaktere zusätzlich Gefolgsleute und Mietlinge bei sich, konnten sie es mit dem kleinen Heer, das den Tempel bewacht, durchaus aufnehmen.

Zur Größe von Spielgruppen steht im ersten Band des D&D Regelwerks von 1974 folgendes zu lesen:

"Anzahl der Spieler: Mindestens ein Spielleiter (referee) und zwischen vier und fünfzig Spieler sind für eine einzelne Kampagne vorgesehen, wobei das Verhältnis von Spielleitern zu Spielern bei etwa 1:20 liegen sollte."

Es ist bekannt, dass Gary Gygax mehrere Spielergruppen an der selben Kampagne teilnehmen ließ, die dann, an unterschiedlichen Wochentagen, das Spielgeschehen vorantrieben. So war es denkbar, dass eine Spielergruppe am Dienstag einen Wachturm einnahm über den am Mittwoch eine zweite Gruppe tiefer in die Tempelfestung vordringen konnte.

Aber auch bei zwanzig Spielern, deren Charaktere alle ihr eigenes Gefolge hatten, konnte die Gruppe durchaus auf die erforderliche Kampfstärke kommen, um es mit den Verteidigern des Tempels aufzunehmen. 

Zur Frage, wie der Spielleiter mit den für heutige Zeiten unmöglich groß erscheinenden Spielergruppen umging, habe ich hier etwas gepostet. Daher möchte ich an dieser Stelle nur in aller Kürze auf die Spielerrolle des Callers eingehen, wie es sie ihn frühen D&D-Zeiten gab. Dieser "Rufer" hatte die Aufgabe, die zuvor von der Spielergruppe gefassten Pläne an den Spielleiter zu kommunizieren. Der SL musste daher nicht jeden einzelnen Spieler befragen (was tust du?), sondern hörte nur auf den Caller, was das Spiel in großen Runden deutlich beschleunigte.

Noch klarer wird es, wenn man davon ausgeht, dass Arneson beim Schreiben des Abenteuers die Regeln für den Massenkampf im Auge hatte, wie sie beim Chainmail-Regelwerk bechrieben sind. Die erste Ausgabe "Chainmail: Rules for Medieval Miniatures" wurde 1971 von Guidon Games publiziert. TSR kaufte später die Rechte auf und publizierte das Regelwerk 1975 - im selben Jahr, in dem "Tempel des Frosches" erschien.

1986 gab TSR eine stark überarbeitete Version des Abenteuers heraus. Von den ursprünglich 20 auf 48 Seiten erweitert, war es ein eigenständiges Abenteuermodul. 

Übrigens: Das erste Rollenspiel-Abenteuer, das nicht als Beilage, wie "Tempel des Frosches", sondern als eigenständige Publikation erschien, war "Palace of the Vampire Queen". Es wurde 1976 von Wee Warriors als nicht-lizensiertes D&D-Produkt publiziert. Das erste offizielle, eigenständige TSR-Abenteuermodul erschien zwei Jahre später unter dem Titel "Steading of the Hill Giant Chief".

Ankündigung in eigener Sache


Den ersten, eigenständigen Abenteuerband von Gazer Press, "Der Heilige von Bruckstadt", gibt's jetzt auch in digitaler Form. Ihr könnt das PDF, ebenso wie die gedruckte Version, in unserem neuen E-Shop kaufen. 

Meldet euch auch gerne für unseren Newsletter an und werdet (in unaufdringlicher Regelmäßigkeit) mit Infos über neue, spannende Projekte von Gazer Press beschickt.





April 28, 2021

Was taugt der D&D-Klassiker "The Keep on the Borderlands"?


Das Jahr 1979 war ein gutes für Dungeons. Im August präsentierte Gary Gygax auf der Gen Con XII den Abenteuerband The Village of Hommlet. Im Dezember publizierte TSR ein weiteres Abenteuermodul, ebenfalls von Gygax geschrieben: The Keep on the Borderlands

Das Besondere an beiden Abenteuerbänden ist, dass TSR darin die Trinität Dungeon - Wildnis - Rückzugsort eingeführt hat. Das Dorf Hommlet bzw. die Grenzfestung bieten den SC Schutz und die Möglichkeit, zwischen den Expeditionen ihre Ausrüstung zu erneuern, um anschließend - durch die Wildnis - zum Dungeon zurückzukehren. 

Dieses Konzept prägt Dungeon-Crawls bis heute. Im Folgenden wollen wir uns ansehen, was der 40 Jahre alten Klassiker The Keep on the Borderlands heute noch taugt.




Bei The Keep on the Borderlands fällt sofort auf, dass es als Einstiegsabenteuer entwickelt wurde (es lag bis 1982 der D&D Grundpackung bei). In einem einleitenden Kapitel spricht Gygax den zukünftigen Spielleiter an und gibt ihm einen Sack voll Tipps mit auf den Weg: Vom Spiel der Rollen über die Kommunikation mit den Spielern bis zur Verteilung von Erfahrungspunkten und Schätzen erfährt der neue SL eine Menge übers Rollenspiel. 

Swords for hire


Im unweit der Grenzfestung gelegenen Dungeon lauern zahlreiche und mitunter knackige Gegner auf die Spieler. Doch bei allen Herausforderungen, die Gygax den Spielern entgegenwirft, schreibt er: „Der Spielleiter sollte darauf achten, den Spielerfiguren eine angemessene Überlebenschance zu geben." Diese Überlebenschance ist vor allem von der Anzahl der SC abhängig.

Gygax empfiehlt 6 bis 9 Spieler der Stufe 1. Sind es weniger, können fehlende SC durch Mietlinge ersetzt werden. Diese kampferprobten NSC wollen für ihre Dienste natürlich entlohnt werden. Gygax schlägt vor, geborgenes Gold zu gleichen Anteilen unter allen Mitgliedern der Expedition aufzuteilen. Da gemäß den frühen Regeln von D&D jedes Goldstück einen Erfahrungspunkt bringt, besteht die Chance, dass öfter eingesetzte Mietlinge dadurch einen Stufenanstieg durchlaufen und stärker werden - Motivation für die Spieler, das Leben ihrer Gefolgsleute zu achten. 

Gleichzeitig ist dieser Mechanismus aber auch eine Bremse gegen den übermäßigen Einsatz von Mietlingen, denn mit jedem zusätzlichen Gefolgsmann verringert sich nicht nur die Beute, sondern auch die gewonnenen EP.

Mietlinge und Fackelträger sind bis heute beliebt bei OSR-Spielen, während sie beim offiziellen D&D in den Hintergrund gerückt sind. So hilfreich diese Gefolgsleute gerade in Spielen mit kleinen Gruppen sein können, darf doch der Aufwand für den SL nicht unterschätzt werden. In den OSR-Regelwerken gibt es unterschiedliche Ansätze, wie mit diesen NSC im Kampf verfahren wird. Einige simulieren ihre Kampfkraft, indem die SC, je nach Anzahl und Erfahrung der Mietlinge, Boni auf ihre Attacken oder ihren Rüstungswert erhalten. Gygax macht im Buch keine Angaben dazu. 

Um zu verhindern, dass Mietlinge nur farbloses Kanonenfutter sind, sollten diese NSC jedenfalls vom SL gespielt werden und das möglichst lebendig: Mit Ecken und Kanten und Zielen und Ängsten. Menschen, die auch schon mal einen Befehl verweigern, wenn sie davon ausgehen müssen, bei der Ausführung ums Leben zu kommen.

Da Gygax, wie in den frühen D&D-Zeiten üblich, von tendenziell großen Spielergruppen ausgeht, empfiehlt er einen Caller auszuwählen und einen Kartographen zu bestimmen. Zu beiden Spielerrollen habe ich bereits auf diesem Blog geschrieben. Bei Interesse könnt ihr die Beiträge weiter unten nachlesen.

Ein sicherer Hafen


Der Titel The Keep on the Borderlands stellt eine namentlich nicht genannte Grenzfestung in den Mittelpunkt des Abenteuers. Gygax hat diese Home Base mit einigen Details ausgestattet, um die Festung ein Stück weit zum Leben zu erwecken und mehr aus ihr zu machen, als einen ummauerten Laden für Ausrüstung und Waffen. „Die Festung ist ein Mikrokosmos, eine Welt in Miniatur“, schreibt Gygax. 

So erfährt der Leser, auf welche Weise die Grenzfestung bewacht wird und die Verteidigung im Kriegsfall organisiert ist, dass an Feiertagen ein Markt am Platz mit dem Springbrunnen abgehalten wird und es in der Taverne Gerüchte aufzuschnappen und Söldner anzuwerben gibt.

Und natürlich können die Spieler einige NSC treffen, woraus sich, je nach Verhalten der Spieler, Vor- und Nachteile ergeben können. So ist es für die SC von Vorteil, wenn sie sich mit dem einflussreichen Gildenmeister und dem Burgvogt gut stellen. Ein Juwelen-Händler, der darauf wartet, mit einer Karawane sicher in die Zivilisation zurückzukehren, könnte Auftraggeber für ein Folgeabenteuer sein und der ach so sympathische, Bier-saufende Priester wartet nur darauf (Achtung: Spoiler!), von den SC als Begleiter für die Dungeon-Expedition angeworben zu werden, um ihnen dann in den Rücken zu fallen. 

In einem Interview sagte Gygax über das Modul: "Es muss für alles einen Grund geben. Einen Grund, warum der Ort existiert, wer dort lebt und wie er lebt. Ebenso muss es einen Grund für die SC geben, ihr Leben zu riskieren, damit es an diesem Ort zu einem Abenteuer kommen kann. Keep on the Borderlands ist ein bis ins letzte Detail entworfener Ort, an dem verschieden Kreaturen um ihr Überleben kämpfen."

Dass die Grenzfestung bis ins letzte Detail ausgearbeitet ist, würde ich nicht unterschreiben. Es gibt definitiv Potential für tiefergehende Beschreibungen, wie zum Beispiel dunkle Geheimnisse, Liebschaften und Spannungen zwischen den Bewohnern, usw. Wie die Grenzfestung selbst hat übrigens auch keiner der NSC einen Namen (laut Gygax wurde darauf verzichtet, um das Modul möglichst einfach in bestehende Kampagnen einbauen zu können). Aber auch der Grund, warum die SC ihr Leben im Dungeon riskieren sollten, ist auf den ersten Blick nicht ganz klar.

Aber: Wir sollten nicht vergessen, dass das über 40 Jahre alte Modul als Sandbox Szenario entworfen wurde (Den Begriff "Sandbox" gab es damals allerdings noch nicht). Die beschriebenen Orte dienen nicht dazu, einen Plot zu zeichnen, der bei A beginnt und über B zum Höhepunkt des Abenteuers C führt. Gygax nimmt den SL nicht an der Hand, sondern bietet ihm an, aus den vorgelegten Puzzlestücken ein Abenteuer zu basteln, das für die Spielergruppe passt.

Und tatsächlich finden sich im Text ein paar Aufhänger für Abenteuer, die vom SL genutzt werden können. Ein von Hobgoblins gefangener Händler, eine verschollene Abenteurergruppe, ein Chaos-Schrein und der dazugehörig Priester, der sich in der Grenzfestung versteckt, usw. Mit etwas Kreativität lässt sich daraus eine schöne Geschichte für Einsteiger basteln, die mehr hergibt, als nur Dungeon-Monster tot zu schlagen.

Wildnis im Quadrat


Die Festung ist von Wildnis  - Wälder, Fluss, Sumpf - umgeben. Auf der Karte, übrigens in Quadrate, nicht in Hex-Felder unterteilt, sind fünf Orte beschrieben, an denen es für die Spieler etwas zu entdecken gibt. Der von der Festung am weitesten entfernte Ort ist der Dungeon "Die Höhlen des Chaos". Ein mittelgroßes Areal, in dem es viel zu holen, aber auch viel Gelegenheit zum Sterben gibt.

Große Geheimnisse birgt der Dungeon keine. Dennoch achtet Gygax auch hier auf Details. Die Monster existieren nicht beziehungslos nebeneinander. Orks, Goblins, Kobolde, Bugbears und andere Kreaturen sind verfeindet oder haben lose Allianzen. Diese können von den Spielern zum eigenen Vorteil ausgenutzt werden. So ist der im Dienst der Goblins stehende Oger-Söldner bestechlich und mit ein paar Goldmünzen lässt sich der (sehr fordernde) Kampf mit ihm vermeiden.

Gygax skizziert, wie sich die Dungeon-Bewohner im Falle eines Angriffs verhalten, woher gegebenenfalls Verstärkung kommt und wohin sie fliehen, sollte es notwendig sein. Er schlägt außerdem vor, die Monster aus gemachten Erfahrungen lernen zu lassen. Konnten die SC einige von ihnen meucheln, werden die Monster darauf reagieren und ihre Verteidigung verbessern indem sie Fallen aufstellen und die Wachen verdoppeln.

Als Alternative zum SC-Tod schlägt Gygax vor, dass Monster die SC gefangen nehmen könnten. Für entsprechendes Lösegeld werden sie frei gelassen. Die Monster-Bande gewinnt dadurch an Ansehen und zusätzliche Monster schließen sich ihnen an. Gleichzeitig wird der Stamm vorsichtig sein, weil er mit weiteren Angriffen durch die SC rechnet.

Das alles ist natürlich ausbaufähig, doch es ist klar, worauf Gygax hinaus will: Die Monster sind keine stupiden Kreaturen, die bewegungslos in ihren Verstecken verharren bis die SC kommen, um sich dann emotionslos abschlachten zu lassen. Statt dessen organisieren sie ihre Verteidigung, rufen nach Verstärkung im Falle eines Kampfes und fliehen, wenn die Lage aussichtslos ist.

Magie bis zum Abwinken


Insgesamt kommen in dem Abenteuer an die 60 (!) magische Gegenstände vor, nicht mitgezählt die diversen Tränke und Spruchrollen. Das ist sehr viel. Vor allem sehr viel einfallsloses Zeugs, wenn man bedenkt, dass der Großteil +1 und +2 Waffen oder Rüstungen sind. Natürlich gibt es (ein paar wenige) verfluchte Gegenstände, aber ausgefallenere Stücke, die unberechenbar sind und neben Vor- auch Nachteile bringen, sucht man vergebens. 

Neben zahlreichen magischen Gegenständen findet sich in der Festung auch auffällig viel Gold. Einige Blogger vermuteten daher, dass nicht der Dungeon, sondern die Grenzfestung eigentliches Beuteziel der Abenteurer sein könnte. Ein reizvoller Gedanke ...

Resümee


Natürlich merkt man dem Modul an, dass es mehr als 40 Jahre am Buckel hat. So wäre es hilfreich gewesen, bei den einzelnen (Dungeon-) Räumen zunächst das Interieur zu beschreiben, dann die Monster, ihre Werte und was sie bei sich tragen. Im Abenteuerband ist es mal so und mal so, was das rasche Scannen des Textes nach wesentlichen Infos erschwert.

Durch Gygax' einführende Worte ist das Spiel gerade für neue Spielleiter gut geeignet. Andererseits verlangt der Aufbau des Abenteuers ein Stück weit kreative Initiative, was grundsätzlich kein Problem sein sollte. Für neue SL könnte das zunächst jedoch herausfordernd erscheinen.

Anders als beim späteren, von Gary Gygax und Frank Mentzer geschriebenen Klassiker Temple of Elemental Evil (1984), fehlen den Höhlen des Chaos eine große Story, die es zu erkunden gilt. Der Fokus liegt am Kampf, die Spieler treffen auf eine bunte Mischung aus Monstern; Gnolle, Orks, Bugbears, Zombies, ein Minotaurus und natürlich Priester eines Chaos-Schreins. Sie alle leben in einem überschaubaren Dungeon eng beisammen und man könnte sich die Frage stellen, warum sie sich nicht schon längst gegenseitig aufgefressen haben. Aber, naja ... so war das halt in den frühen Zeiten von D&D.

The Keep on the Borderlands ist bis heute das am öftesten gedruckte D&D-Modul. Schätzungen zufolge wurden insgesamt 1,5 Millionen Exemplare verkauft. Zusätzlich gab es zahlreiche Überarbeitungen und Fortsetzungen des Abenteuers, das Gygax laut eigener Auskunft binnen einer Woche geschrieben hatte.

Abschließend lässt sich sagen, dass The Keep on the Borderlands auch heute noch als Einstiegsabenteuer für OSR-Fans geeignet ist. Rollenspielgeschichtlich ist es allemal interessant, weil zahlreiche Dungeon-Abenteuer wie Barrowmaze, oder auch kleinere Dungeon-Crawls wie (Werbung in eigener Sache:) Der Heilige von Bruckstadt, die von Gary Gygax 1979 entworfene Struktur bis heute aufgreifen und weitererzählen. 


April 13, 2021

Der Vampir - eine Spurensuche

In Das Schwarze Auge kommt er vor, D&D hat ihm mit Ravenloft ein eigenes Szenario gewidmet und im Rollenspiel Vampire: Die Maskerade spielt er die Hauptrolle. Der Vampir ist fixer Bestandteil von Fantasy-Welten. Doch worauf fußen eigentlich die Geschichten vom Blutsauger? Eine Spurensuche.


Ernst Stöhrs Vampir erschien 1899 in der Zeitschrift Ver Sacrum


Wien, 1725. In der barocken Hauptstadt regiert Kaiser Karl VI., letzter männlicher Spross des Hauses Habsburg. Am Balkan führte der Kaiser Krieg. Mit Erfolg: Sieben Jahre ist es her, dass er im Frieden von Passarowitz den Türken Slawonien (Ost-Kroatien), Nordserbien, das Banat von Temeswar (Ungarn) und die Kleine Walachei (Rumänien) abgerungen hat. Doch der Frieden ist ein unruhiger. Und bald schon wird klar, dass der halbmondförmige Streifen eroberten Landes auch Heimat einer Seuche ist, die die Gelehrten der Monarchie für die nächsten 30 Jahre beschäftigen sollte.

In den Sommertagen des Jahres 1725 langt ein Schreiben am Wiener Hof ein. Absender ist ein kaiserlicher Militärbeamter, der für den Grenzdistrikt Gradisca in Slawonien verantwortlich ist. Er berichtet von einer unbekannten Seuche, die ein Dorf namens Kisolova heimgesucht habe. Innerhalb von acht Tagen sind neun Menschen, alte und junge, nach kurzer Krankheit verstorben. Schuld an ihrem raschen Tod seien, so schreibt der Beamte, blutsaugende Tote, «so sie vampyri nennen»*.

Ein slawonischer Vampir 


Die Bewohner des slawonischen Dorfes Kisolova sind Wehrbauern, die an den brüchigen Grenzen des Habsburger Reiches siedeln. Ihr Auftrag: Das Grenzland so lange gegen möglich einfallende Osmanen zu verteidigen, bis reguläre Truppen eintreffen. Im Gegenzug sind sie von Leibeigenschaft und Abgaben befreit. In seinem Brief beschreibt der kaiserliche Beamte, wie er das Dorf gemeinsam mit einem orthodoxen Priester aufsucht, um sich Klarheit über die Todesfälle zu verschaffen. 

Vor Ort erwarten ihn ein geöffnetes Grab und die drei Monate alte Leiche des Peter Plogojewitz. Dieser, so die feste Überzeugung der Dorfbewohner, sei schuld an den Todesfällen, indem er den Menschen ihr Blut ausgesaugt habe. Von der Leiche ging kein Verwesungsgestank aus, die Haut war rosig, Nägel und Haare nachgewachsen, schreibt der Beamte in seinem Bericht. Für die Grenzer das untrügliche Zeichen, dass es sich um einen Vampir handle. 

Weder durch gutes Zureden noch durch Drohungen können der Beamte und der Geistliche die Exekution der Leiche verhindern. Ein Mann schlägt dem Toten einen zugespitzten Holzpfahl ins Herz, daraufhin quillt Blut aus Nase, Ohren und Mund. Anschließend verbrennen die Dorfbewohner die Leiche am Scheiterhaufen. In seinem Brief entschuldigt sich der Beamte, dass er dieses Treiben nicht habe verhindern können. Aber der «vor Forcht ausser sich selbst gesetzte Pöfel» wäre davon nicht abzubringen gewesen. Der Fall wird dokumentiert und zu den Akten gelegt.

Tod an der Morava


Nordserbien, 1731. In den letzten Herbsttagen des Jahres sterben im Dorf Medwegya innerhalb von sechs Wochen dreizehn Menschen. Das Dorf liegt am Fluss Morava, die dort lebenden Heyducken sind Teil einer Milizkompanie, die die Reichsgrenze gegen die Türken verteidigen. Das für die Region zuständige Militärkommando entsendet den kaiserlichen Seuchenarzt Glaser. Am 12. Dezember trifft er im Dorf ein. 

Glaser geht von Haus zu Haus und untersucht die Bewohner, kann aber, bis auf Fieber, Brust- und Seitenstechen, die er auf ein Unmaß im Essen und Trinken zurückführt, keine Seuche diagnostizieren. 
Hingegen versichern ihm die Befragten, dass die Leute sterben, weil «die Vambyres, oder Bluthseiger, verhanden seynd». Das Sterben werde kein Ende finden, bis man die Vampire aus ihren Gräbern geholt und exekutiert habe, sind die Hajduken überzeugt. 

Der Arzt will der Sache auf den Grund gehen. Er lässt Gräber öffnen. Glaser ist erstaunt, als er die Leichen in einem Zustand der Unverwestheit findet, die Leiber aufgequollen mit frischem Blut im Mund, «welches mir selbst suspect vorkommet», wie er eingesteht. In seinem Schreiben unterstützt Glaser den Wunsch der Dorfbewohner, die Toten zu pfählen. Damit die Untertanen ihren Willen haben und nicht das Dorf aufgeben, wie er argumentiert. Zwischen den Zeilen hängt aber der Zweifel des gelehrten Arztes, der nicht erklären kann, was er in der feuchten Erde des Friedhofs vorgefunden hat.

Ratlose Gelehrte


Das militärische Oberkommando in Belgrad ist beunruhigt und ordnet eine «chyrurgische Visitation» an. Am 7. Jänner 1732 erreicht Regimentsfeldscher Johann Flückinger das Dorf Medwegya. Seine Nachforschungen ergeben, dass vor fünf Jahren ein Mann namens Arnont Paule sich beim Sturz von einem Heuwagen das Genick brach. Dieser habe zu Lebzeiten erzählt, er sei im Osmanischen Reich von einem Vampir angefallen worden. 

Etwa einen Monat nach dessen Tod berichteten Dorfbewohner, von Paule im Schlaf geplagt zu werden. Bald darauf seien diese Menschen gestorben. Die Heyducken öffneten daraufhin Paules Grab und fanden die Leiche unverwest. Daraus sahen sie, «daß er ein würklicher Vampir seye» und schlugen «nach ihrer Gewohnheit einen Pfahl durchs Herz», so Flückinger in seinem Bericht. Die vier Toten, die Paule nach Meinung der Dorfbewohner zu verantworten hatte, gruben sie ebenso aus, pfählten und verbrannten sie, um zu verhindern, dass auch sie als Vampire wiederkehrten. 

Arnont Paule sei daher der erste Vampir im Dorf Medwegya gewesen. Nach den 17 Toten der vergangenen drei Monate und den unverwesten Leichen sind die Dorfbewohner überzeugt, «daß sich wiederumben einige Vampyrs allhier befinden». Noch am selben Nachmittag lässt der Arzt 16 Gräber öffnen und obduziert die Leichen. Zehn davon, so wird der Regimentsfeldscher später aussagen, haben sich in ihren Särgen «im Vampirstande» befunden. Mit nachgewachsenen Finger- und Zehennägeln, Kleider und Leichentücher durchnässt von frischem Blut, das aus Ohren, Nasen, Mündern und Geschlechtsteilen floss. Hinweise auf Krankheiten habe auch er nicht gefunden. 

«Nach geschehener Visitation seynd denen Vampyren die Köpf durch die dasigen Zigeuners herunter geschlagen, und sambt denen Cörpern verbrent, die Aschen davon in den Fluß Morova geworfen», beendet der Arzt seinen Bericht.

Die Nachricht von der Vampirseuche gelangt über Belgrad und Wien bis in die Zeitungsredaktionen in Paris und London und an die sächsischen und thüringischen Universitäten, wo sie rege Diskussionen unter den Gelehrten auslöst. In den akademischen Abhandlungen wird der «Vampyrismus» nicht als Legende abgetan, sondern als Krankheit beschrieben.

Das Ende des Vampirs 


Wien, 1755. Kaiser Karl VI. ruht seit 15 Jahren in einem Sarkophag in der Kapuzinergruft. Seine Tochter Maria Theresia leitet jetzt die Geschicke der Monarchie. Im Jänner erreicht die Nachricht den Wiener Hof, wonach eine Vampirin in Mähren (heutiges Tschechien) gepfählt und verbrannt wurde. Auch in dieser Gegend der Habsburger Monarchie ist die Vampirtradition verwurzelt: Bereits 1731 wurden neun Vampire bei Olmütz am Scheiterhaufen verbrannt, darunter sieben Kinder. 

Die aufgeklärte Monarchin will dem Treiben ein Ende setzen und beauftragt ihren Leibarzt Gerard van Swieten Licht in die Sache zu bringen. In seinem Vampirismus-Pamphlet kommt er zu dem Schluss, dass das Phänomen auf natürliche Ursachen wie Gärungsprozesse und Luftmangel, der die Verwesung verhindere, zurückzuführen sei. Das Sterben sei eine Folge von Seuchen, die später als Milzbrand oder Tollwut identifiziert werden. Er schreibt, «dass der ganze Lärm von nichts andern herkömme, als von einer eitlen Furcht, von einer aberglaubischen Leichtglaubigkeit, von einer dunklen und bewegten Phantasey, Einfalt und Unwissenheit bei jenem Volke». 

Maria Theresia folgt der Erkenntnis ihres Leibarztes und verbietet per Erlass die traditionellen Abwehrmaßnahmen gegen Vampire: das Köpfen, Pfählen und Verbrennen von Leichen. Zehn Jahre später wird Vampirismus nicht mehr als Krankheit diskutiert, sondern ist in den Enzyklopädien in die Rubrik «Geschichte des Aberglaubens» verbannt.


Die Auferstehung


Während der Vampir sich aus der Alltagswelt der Menschen zurückzog, hielt er mit Beginn des 19. Jahrhunderts Einzug in die Welt von Literatur und Film. Von John Polidoris The Vampyre (1819) und Alexej Tolstois Die Familie des Wurdalak (1839) über Bram Stokers Dracula (1897) und den von Friedrich Wilhelm Murnau inszenierten Film Nosferatu (1922) bis zu diversen Hollywood-Produktionen. Die Faszination für die Kreatur aus dem Grab hat sich bis heute gehalten.

* Die Zitate stammen aus dem Buch "Mortuus non mordet. Kommentierte Dokumentation zum Vampirismus 1689–1791" von Klaus Hamberger. Die zitierten Briefe und Berichte sind im Hofkammerarchiv in Wien aufbewahrt. 

The vampire - a search for traces

He appears in the role-playing game The Dark Eye, D&D has dedicated the scenario Ravenloft to him, and he plays the leading role in Vampires: The Masquerade. The vampire is an integral part of fantasy worlds. But what is behind the stories about the bloodsucker?

A search for traces in the borderlands of the past Habsburg monarchy.


Ernst Stöhr's Vampire appeared in 1899 in the magazine Ver Sacrum


Vienna, 1725: Emperor Charles VI, the last male scion of the House of Habsburg, reigns in the baroque capital. The emperor waged a successful war in the Balkans: seven years have passed since he wrested Slavonia (eastern Croatia), northern Serbia, the Banat of Timisoara (Hungary) and Little Wallachia (Romania) from the Turks. But the peace is an uneasy one. And it soon became clear that the crescent-shaped strip of conquered land is home to a plague that is to occupy the monarchy's scholars for the next 30 years.

In the summer days of 1725, a letter arrives at the Viennese court. The sender is an imperial military official responsible for the border district of Gradisca in Slavonia. He reports an unknown plague that has struck a village called Kisolova. Within eight days, nine people, old and young, died after a short illness. The official writes that bloodsucking dead people, "they call vampyri, "* are to blame for their rapid deaths.

A Slavonian vampire 


The inhabitants of the Slavonian village of Kisolova are so called Wehrbauern. Farmers who settle on the fragile borders of the Habsburg Empire with the mission to defend the borderland against possible invading Ottomans until regular troops arrive. In return, they are exempt from serfdom and taxes. In his letter, the imperial official describes how he visits the village together with an Orthodox priest to get clarification about the deaths. 

On the spot, an open grave and the three-month-old corpse of Peter Plogojewitz await him. The villagers were convinced that the corpse was responsible for the deaths by sucking the people's blood. The corpse did not emit the stench of decay, the skin was rosy, nails and hair had grown back, the official wrote in his report. For the border guards, this was an unmistakable sign that it was a vampire. 

Neither by good coaxing nor by threats can the official and the clergyman prevent the execution of the corpse. A man drives a sharpened wooden stake into the dead man's heart, and blood gushes out of his nose, ears and mouth. The villagers then burn the corpse at the stake. In his letter, the official apologizes that he could not have prevented this deed. But the "rabble was beside himself with fear“ and would not have been able to dissuade from it. The case is documented and filed away.

Death on the Morava


Northern Serbia, 1731. In the last days of autumn, thirteen people die in the village of Medwegya within six weeks. The village is located on the Morava River, and the Heyducks living there are part of a militia company defending the imperial border against the Turks. The military command responsible for the region sends the imperial epidemiologist Glaser. He arrives in the village on December 12. 

Glaser goes from house to house and examines the inhabitants, but cannot diagnose any epidemic except for fever, chest and side stitches, which he attributes to an excess in eating and drinking. On the other hand, the interviewees assure him that the people are dying because "the Vambyres, or Bluthseiger, are present“. The deaths will not end until the vampires are taken out of their graves and executed, the hajduks are convinced. 

The doctor wants to get to the bottom of the matter. He has graves opened. Glaser is astonished when he finds the corpses in a state of undecayedness, the bodies swollen with fresh blood in the mouth, "which seems suspect to me myself," he admits. In his letter, Glaser supports the villagers' desire to stake the dead. So that the subjects have their way and do not abandon the village, as he argues. But between the lines hangs the doubt of the learned doctor, who cannot explain what he found in the damp earth of the village cemetery.

Perplexed scholars


The military high command in Belgrade is concerned and orders a "chyrurgical visitation". On January 7, 1732, regimental sergeant Johann Flückinger arrives in the village of Medwegya. His investigations reveal that five years ago a man named Arnont Paule broke his neck falling from a hay cart. The latter had told during his lifetime that he had been attacked by a vampire in the Ottoman Empire. 

About a month after the latter's death, villagers reported being plagued by Paule in their sleep. Soon after, these people died. The Heyducks then opened Paule's grave and found the body unbroken. From this they saw "that he was a real vampire" and, "according to their custom, drove a stake through his heart," according to Flückinger in his report. The four dead, for which the villagers believed Paule was responsible, they also dug up, staked, and burned in order to prevent them from returning as vampires as well. 

Following the beliefs of the people Arnont Paule was therefore the first vampire in the village of Medwegya. After the 17 deaths of the past three months and the undecomposed corpses, the villagers are convinced "that there are again some vampyrs here". That same afternoon, the doctor has 16 graves opened and autopsies the bodies. Ten of them, the regimental sergeant will later testify, have been "in the vampire state" in their coffins. With regrown finger and toe nails, clothes and shrouds soaked with fresh blood flowing from ears, noses, mouths and genitals. He also found no evidence of disease. 

"After the visitation, the heads of the vampires were cut off by the gypsies and burned along with their bodies, the ashes thrown into the Morova River," the doctor concluded his report.

Via Belgrade and Vienna the news of the vampire epidemic reaches the newspaper editors in Paris and London and the universities in Saxony and Thuringia, where it triggers lively discussions among scholars. In many of the books and treatises of the time "vampyrism" is not dismissed as a legend, but described as a disease.

The end of the vampire 


Vienna, 1755: Emperor Charles VI has been resting in his sarcophagus in the Capuchin crypt for 15 years. His daughter Maria Theresa is now in charge of the monarchy. In January, news reaches the Viennese court that a vampiress has been staked and burned in Moravia (today's Czech Republic). The vampire tradition is also rooted in this region of the Habsburg monarchy: As early as 1731, nine vampires were burned at the stake near Olomouc, including seven children. 

The enlightened monarch wants to put an end to the goings-on and commissions her personal physician Gerard van Swieten to shed light on the matter. In his vampirism pamphlet, he concludes that the phenomenon is due to natural causes such as fermentation processes and lack of air, which prevents decomposition. The dying, he says, was a result of epidemics later identified as anthrax or rabies. He writes that "all the noise comes from nothing but a vain fear, from a superstitious credulity, from a dark and agitated phantasy, simplicity and ignorance among that people". 

Maria Theresa follows the insight of her personal physician and bans by decree the traditional defensive measures against vampires: beheading, impaling and burning corpses. Ten years later, vampirism is no longer discussed as a disease, but is relegated to the "history of superstition" section in encyclopedias.

The Afterglow


While the vampire retreated from the everyday world of humans, he entered the world of literature and film with the beginning of the 19th century. From John Polidori's The Vampyre (1819) and Alexei Tolstoy's The Family of Wurdalak (1839) to Bram Stoker's Dracula (1897) and the film Nosferatu (1922), directed by Friedrich Wilhelm Murnau, to various Hollywood productions. The fascination with the creature from the grave has endured to this day.



* The quotes are taken from the book „Mortuus non mordet. Kommentierte Dokumentation zum Vampirismus 1689-1791“ by Klaus Hamberger. The letters and reports cited are preserved in the Hofkammerarchiv in Vienna.

März 03, 2021

Dungeon-Crawl im Dreißigjährigen Krieg

Es ist soweit! Gazer Press startet heute mit dem Verkauf des neuen Abenteuerbandes „Der Heilige von Bruckstadt“. Warum das einen Blogeintrag wert ist? Weil ich selbst Teil des Teams bin und denke, dass das Abenteuer für euch interessant sein könnte.


Um was geht's?

Herbst 1632. Der Dreißigjährige Krieg verwüstet Deutschland. Heere und ihre Trosse fressen die Kornkammern leer und rauben das Vieh der Bauern. Zurück bleiben niedergebrannte Städte, Hunger und Pest, die ganze Landstriche in Friedhöfe verwandelt.

Bruckstadt blieb bisher vom Weltuntergang verschont. Die Bewohner führen das auf den Schutz des Heiligen Jakobus zurück. Doch das traditionelle Fest zu Ehren des Heiligen konnte in diesem Jahr nicht gefeiert werden. Die Explosion des städtischen Pulverlagers verschüttete den Zugang zur Gruft des Stadtpatrons. Der Pakt zwischen Jakobus und den Bürgern Bruckstadts droht zu brechen, falls nicht bis Ende des Monats ein anderer Weg zur Heiligengruft gefunden wird.


Dungeon-Crawl im Dreißigjährigen Krieg?!

Ja, das Abenteuer hat eine historische Kulisse: Dreißigjähriger Krieg, Feuerwaffen und katholische Heiligenverehrung. Aber dabei bleibt es nicht, denn die Grenze zum Übernatürlichem ist dünn und je tiefer die Figuren in die Katakomben unterhalb Bruckstadts vordringen, desto durchlässiger wird sie.

Wie die Testspiele zeigten, ist der Dungeon ein gefährlicher Ort. Auf den Unvorsichtigen warten Flüche von jenseits des Grabes und Fallen, die qualvolle Tode bereiten. Uralte Geheimnisse versprechen Macht und stürzen denjenigen in den Wahnsinn, der zu schwach ist, den Blick hinter die Schatten zu ertragen. Und ganz unten in der Gruft, wo die Verdammten ihren Schmerz mit Blut an die Wände schmieren, lauert ER: Seit einem halben Jahrtausend tot, zurückgekommen, um zu strafen.


That's all?

Bei Weitem nicht. Da wäre noch Bruckstadt, das Örtchen am Katzbach, dessen Einwohner nicht so fromm sind, wie sie sich geben. Die Ruine Aarhorst, wo sich kürzlich ein Söldnerhaufen unter Führung einer Kreolen-Prinzessin eingenistet hat und ein einsames Hügelgrab, von dem die Bauern sagen, dass nachts die Geister der Toten um das Steinkreuz auf seiner Kuppe tanzen. Und dann gibt es noch das Wolfsmoor. Ein einsamer Landstrich, der im Mittelalter Rückzugsort eines Kultes war, von dem es heißt, dass seine Anhänger bis heute der alten Kröte in unsagbaren Ritualen huldigen.


Das Spielsystem? 

Geschrieben wurde das Abenteuer mit Blick auf das Regelwerk von Lamentations of the Flame Princess. Wir berücksichtigen daher deren Skill-System und führen bei den NSC die LotFP-Werte an (Rüstung, Bewegung, Trefferpunkte, Schaden, Moral). 

Es soll aber ausdrücklich betont werden, dass „Der Heilige von Bruckstadt“ mit jedem Old School-Regelwerk spielbar ist, d.h. mit Regelwerken, die auf den frühen Versionen von D&D basieren. Im Buch werden daher bei den geforderten Proben immer Alternativen zu den LotFP-Skills angeführt. 

Wer es mit dem Regelwerk von LotFP spielen möchte und die Printausgabe nicht besitzt, kann hier die kostenlose PDF-Version herunterladen. 

Stimmen aus der Szene?


Wer einen kritischen Blick auf den Abenteuerband werfen möchte, kann das hier tun. Nerds-gegen-Stephan hat "Der Heilige von Bruckstadt" rezensiert. Fazit: "ganz schön düster, aber auch ganz schön gut."

Wo kaufen?!

Kaufen könnt ihr den Abenteuerband direkt in unserem E-Shop oder bei Sphärenmeisters Spiele. Wer das Buch lieber im Laden ums Eck kaufen möchte, kann das bei Plant Harry in Wien tun. Die Liste wird laufend erweitert. 


Januar 24, 2021

Dungeon-Crawl: Spaziergang oder Expedition?

Testspiele unseres Dark-Fantasy-Abenteuers “Der Heilige von Bruckstadt” sind abgeschlossen. Letzte Arbeiten am Korrektorat, Layout und Titelblatt gehen zügig voran. Wir sind daher zuversichtlich, mit dem Buch im Februar in den Online-Verkauf zu gehen.

Illustration: Mariela Schöffmann

Mit den bei den Testspielen gesammelten Erfahrungen möchte ich ein paar Worte über Dungeon-Expeditionen schreiben. Ein Dungeon-Crawl lebt nicht nur von Monstern und Schätzen. Die Orientierung unter der Erde, die Wahl der richtigen Ausrüstung, der Verbrauch von Fackeln, Wasser und Nahrung können ebenfalls wesentliche Elemente des Spiels sein.

Weil uns bei den Testspielen Expeditions-Feeling wichtig war, wollten wir daher diese Punkte nicht ignorieren. Die Frage war, nach welchen Regeln das geschehen sollte? Hier ein kurzer Bericht, was bei unseren Spielrunden geklappt hat und was weniger.

Einer der wichtigsten Punkte ist die Frage der Orientierung: Zeichnen die Spieler die Karte selbst, oder bekommen sie eine vom SL vorgelegt. Da wir Corona-bedingt vom Wohnzimmertisch auf die Online-Plattform Roll20 ausweichen mussten, haben wir das Fog-of-War-System genutzt. Da ich bereits im letzten Blogeintrag über Kartografie im Dungeon geschrieben habe, gehe ich an dieser Stelle nicht noch einmal darauf ein.

Eine weitere wichtige Entscheidung, die maßgeblich zur Stimmung während des Dungeon-Runs beiträgt: Wie handhabt die Spielergruppe Dinge wie Traglast und Licht? Am einfachsten für alle Beteiligten ist davon auszugehen, dass die SC immer genügend Fackeln und Lampenöl mit sich führen. Auch die Traglast lässt sich entspannt handhaben, indem sie nur in Extremfällen beachtet wird. Etwa, wenn ein SC versucht, eine ganze Waffenkammer mit in den Dungeon zu schleppen, oder die hunderte Kilo schwere, antike Goldstatue einfach so in seinen Rucksack packen möchte.

Doch diese wenig aufwändige Spielvariante geht meist auf Kosten des Expeditions-Feelings. Lässt man sich ein Stück weit auf Mikro-Management ein, kann das Spannung und Spieltiefe maßgeblich erhöhen. 

Runden zählen, aber wie?


Eine Fackel brennt vielleicht eine Stunde, eine Öllampe bedeutend länger. Doch was, wenn die letzte Fackel erlischt, oder die Lampe zerbricht? Dann stehen die SC in völliger Dunkelheit (sofern sie nicht über Nachtsicht verfügen). Eine interessante Spielsituation und äußerst gefährlich für die SC, die quasi blind durch eine feindliche Umgebung stolpern.

Der Spielleiter sollte zunächst die (gezeichnete oder vorgelegte) Karte einziehen, die SC können sich nur an den Wänden entlang tastend vorwärts bewegen. Glücklich jene Spieler, die sich den Verlauf der Gänge in etwa gemerkt haben und rasch zurück ans Tageslicht finden. Für die anderen kann diese Situation leicht in einen Todesmarsch eskalieren. Kämpfe, auch gegen einfache Gegner, werden im Handumdrehen zu einer Herausforderung, da die SC wegen ihrer “Blindheit” hohe Abzüge auf Angriffswürfe hinnehmen müssen. Wie viel Wasser und Nahrung führen sie mit sich? Wie lange dauert es, bis sie verdursten?

Solche Episoden machen Dungeon-Expeditionen noch einmal spannender und gefährlicher. Doch dazu muss gewährleistet sein, dass Fackeln, Lampenöl, der Inhalt von Wasserflaschen und Proviant-Rationen nicht nur exakt verzeichnet sind, sondern auch ihr Verbrauch dokumentiert wird. Das kann auf unterschiedliche Weise geschehen. Das Players Handbook von 1978 schlägt vor, die Zeit bei einem Dungeon-Run in Runden (Turns) zu unterteilen, wobei eine Runde einer Dauer von zehn Minuten entspricht. Eine Fackel wäre daher nach sechs Spielrunden heruntergebrannt.

Je nach dem, ob die SC schleichen, gehen oder laufen, können sie innerhalb der zehn Minuten eine bestimmte Strecke im Dungeon zurücklegen. Die verstrichene Zeit lässt sich daher anhand der zurückgelegten Wegstrecke messen. Doch Spieler lassen ihre Figuren nicht nur marschieren, sie suchen nach Fallen, öffnen verschlossene Türen, kämpfen und schlagen Lager auf, um sich um die Verwundeten zu kümmern. Manche Spielergruppen zählen die Runden daher mithilfe von Markern, was auch den Vorteil hat, dass die verstrichene Zeit für jeden am Tisch sichtbar wird.

Es mag Gruppen geben, für die das Zählen von Runden auf diese oder andere Weise gut funktioniert. In unseren Testrunden hat es das nicht getan. So sehr ich es schätze, Traglast und Licht mitzudenken, so wenig hab ich mich mit dem Rundenzählen anfreunden können. Für den Spielleiter war es eine zusätzliche (lästige) Aufgabe und wenn es ein Spieler übernommen hat, geschah es immer wieder, dass auf das Zählen vergessen wurde, weil so viel anderes geschieht, dass die Aufmerksamkeit fesselt.

Bei unseren Testspielen hat sich daher eine lockere Handhabung der Lichtfrage bewährt: Zunächst erhielt jede Lichtquelle eine bestimmte Anzahl an Lichtpunkten. Eine Kerze wenige, eine Fackel mehr, die Öllampe am meisten. Jedes Mal, wenn ein Spieler eine Probe ablegte (Kraft-Probe, Schloss öffnen, Suchen nach Fallen, …) reduzierte sich automatisch die Brenndauer aller aktiven Lichtquellen um 1 Punkt. Je öfter daher eine Probe wiederholt werden musste, desto mehr Licht wurde verbraucht.

Klar, das ist keine realistische Simulation, nach der die Lichtquellen sich kontinuierlich verbrauchen müssten und nicht nur, wenn Proben abgelegt werden. Aber für unser Spiel hat es funktioniert.

1. Weil niemand mehr Runden zählen musste und nach einer kurzen Gewöhnungsphase das Ablegen einer Probe ganz automatisch mit dem Abstreichen von Lichtpunkten einherging.
2. Weil es plötzlich nicht mehr bedeutungslos war, ob der SC eine Probe beim ersten oder beim x-tan Mal schafft, da jeder Patzer zusätzlichen Lichtverlust bedeutete.

Traglast leicht gemacht


Ähnlich einfach haben wir es mit der Traglast gehalten. Dem Regelwerk von LotFP folgend, zählt nicht das Gewicht des einzelnen Gegenstandes, sondern die Anzahl der Gegenstände. Ein SC, der 11 oder mehr Gegenstände bei sich trägt, erhält 1 Punkt an Traglast, bei 16 oder mehr einen zweiten Punkt. Eine Kettenrüstung erhöht die Traglast um 1 Punkt, eine Plattenrüstung um 2 Punkte, usw.

Abhängig von seiner Traglast verliert der SC Bewegungspunkte. Will die Gruppe vor einem übermächtigen Gegner fliehen, vergleicht der SL den Bewegungswert der einzelnen SC mit jenem des Monsters. Wer zu langsam ist, kann entweder Ausrüstung (Schätze) abwerfen, oder muss sich dem Kampf stellen.

Es braucht also nicht zwingend eine aufwändige Buchhaltung, um den Verbrauch von Lichtquellen und die Traglast zu simulieren. Vorausgesetzt die Spielergruppe möchte mit weniger Realismus zugunsten einfacherer Spielregeln leben.

Wie handhabt ihr eure Dungeon-Expeditionen, wieviel Realismus ist euch wichtig?


Dezember 29, 2020

Der Kartograf

Das Zeichnen von Karten war in den Mega-Dungeons von D&D und AD&D eine der wichtigsten Spielerrollen. Heute wird an vielen Spieltischen ganz darauf verzichtet. Einfache Dungeons, vorgefertigte Karten und diverse Online-Tools ersetzen kariertes Papier und Bleistift. 

Doch ist das Kartenzeichnen tatsächlich eine mühsame und daher weitgehend ausgesetzte Aufgabe aus den frühen D&D Tagen, oder kann es das Spiel bereichern?


Die erste Beschreibung der Spielerrolle Kartograf (Mapper) findet sich in den Basic Rules von Eric Holmes. In der 2. Auflage von 1978 steht auf Seite 39 zu lesen:



Doch der Kartograf war nicht nur Spieler-, sondern immer auch Charakterrolle. Holmes empfiehlt, dass der Mapper, gemeinsam mit dem Caller, die Gruppe im Dungeon anführen sollte. Und Tom Moldvay weist im Basic Rulebook 1981 darauf hin, dass Zeichnen nicht möglich sei, wenn die Figur des Kartografen sich (auf der Flucht) laufend durch den Dungeon bewegt.

Das bedeutet, die vom Spieler angefertigte Karte war gleichzeitig ein in-game Artefakt. Stürzte der Kartograf in ein bodenloses Loch, oder verglühte die Karte in einem Feuerball, kassierte der SL die Kartenskizze ein und die Spieler mussten eine neue Karte zeichnen.


Kartenzeichnen (nicht) leicht gemacht

In den Mega-Dungeons von D&D war das Zeichnen von Karten eine Herausforderung, die die Spieler meistern mussten, um in den Labyrinthen nicht verloren zu gehen. Die Dungeons waren chaotisch mit seltsam geformten Räumen, diagonalen Tunneln, Auf- und Abgängen, die Ebenen überspringen, und zahlreichen Teleportern.

In der ersten Ausgabe des D&D Regelwerkes von 1974, Band 3, "The Underworld and Wilderness Adventures", gibt Gary Gygax Tipps für den Aufbau eines Dungeons. Er empfiehlt, die Karten möglichst kompliziert zu gestalten, um dem Kartografen die Arbeit zu erschweren. In der Legende zu einem Beispiel-Dungeon vermerkt er unter Punkt 3:


Und unter Punkt 7:



Damit nicht genug, empfiehlt Gygax im selben Band unter "Maintaining Freshness" den Dungeon nach jedem Besuch zu verändern:


Intellektuelle Bezwingung des Dungeons

Komplizierte, weit verzweigte Dungeons, die sich im Laufe der Zeit auch noch verändern, können das Leben des Kartenzeichners ordentlich erschweren. Viele Spielergruppen ersparen sich daher heute das Kartenzeichnen. Entweder, indem die SL den Spielern die Karte des Areals (analog oder digital) Schritt für Schritt aufdecken, oder ihnen eine vorgefertigte Karte des gesamten Areals vorlegen.

Das erspart viel Arbeit, Fehler sind weitgehend ausgeschlossen. Der Dungeon erscheint den Spielern so, wie vom SL entworfen. 

Man könnte allerdings sagen, dass mit der Erleichterung auch ein Stück weit Expeditionsfeeling verloren geht. Es fällt die intellektuelle Bezwingung des Dungeons weg, wie The Angry GM es nennt. Denn neben dem offensichtlichen Gewinn für die Spieler, zu wissen, wo im Raum sie sich befinden, verdeutlichen sie durch das Zeichnen der Karte den Fortschritt ihrer Expedition. Ein Fortschritt, der nicht vom SL vorgelegt wird, sondern den sie sich selbst erarbeiten. Manche mechanischen Herausforderungen wie Teleporter, welche die SC unbemerkt in  einen ganz anderen Teil des Dungeons beamen, verlieren ihre Wirkung bei vorgefertigten Karten. Nicht zuletzt bereichert die auf einer selbstgezeichneten Karte basierende Orientierung den Dungeon um eine weitere Herausforderung. Der Erfolg einer Expedition stand und fiel mit der Qualität der Karte.

Wie genau muss die Karte sein?

Damit das Zeichnen der Karte nicht mühsam wird, ist es wichtig, sie einfach zu halten. Nicht jedes Detail muss abgebildet werden und auch die Maße der Räume müssen nicht maßstabsgetreu sein.

In Moldvays Basic Rulebook von 1981 erläutert der Autor die Aufgabe des Kartografen:



Der Mapper sollte demnach Wert legen auf die Ausrichtung der Räume und Korridore, ihre Form und ungefähren Maße. Aber es geht noch einfacher. Als mögliches Vorbild können sogenannte Flussdiagramme dienen. Dabei ist das Ziel nicht ein möglichst genaues Abbild der Karte, wie der SL sie entworfen hat. Im Vordergrund steht dabei viel mehr, die Verbindungen zwischen den Räumen zu beschreiben.

Ein Kästchen stellt einen Raum dar, ein Strich zwischen zwei Kästchen den Korridor, der sie verbindet. Ob dieser Korridor geradlinig oder geschwungen verläuft, ist nebensächlich. Ebenso sind die genauen Maße des Raumes für die Skizze nicht relevant. Gibt es im Raum Besonderheiten, können diese durch kurze Notizen oder Symbole markiert werden.

Wichtig für die Spieler ist zu verstehen, in welchem Teil des Dungeons sie sich gerade aufhalten, wo der blaue Altar oder die seltsame grüne Statue sich befinden und wie sie am schnellsten Weg zum Ausgang zurückkommen.

Eine Dungeon-Expedition lebt zum wesentlichen Teil von Buchhaltung, einkaufen von Ausrüstung und dem Verbrauch der selben. Das Zeichnen der Karte durch die Spieler kann das Expeditionsfeeling um ein weiteres Element bereichern. Gruppen, die dieser Art des Dungeon-Crawlings etwas abgewinnen können, sollten dem Kartografen eine Chance geben.




Dezember 01, 2020

Der Rufer im Dungeon

Dutzende Rollenspiel-Verlage stehen in der Tradition der Old School Renaissance und lassen sich bei ihren Regelwerken und Abenteuerbänden von den frühen Tagen des Hobbys inspirieren. 

Da wir auch unser neues Gazer Press Abenteuer "Der Heilige von Bruckstadt" in dieser Tradition sehen, soll hier ein Blick auf die ersten Versionen von Dungeons & Dragons aus den 70ern und frühen 80ern geworfen werden. Wie unterschieden sich die damaligen Regeln von heutigen? Auf was kann getrost verzichtet werden und welche Aspekte sind nach wie vor interessant?

In den Basic Rules von 1977 schreibt Autor Eric Holmes unter „Dungeon Mastering as a fine Art“ was vom Spielleiter als Vorbereitung erwartet wird: Den Dungeon zu zeichnen, Monster, Fallen und Schätze zu verteilen und für einen möglichst rasanten Einstieg ins Abenteuer zu sorgen (es war die Zeit der Self-Made-Dungeons). Zu den Monstern merkt der Autor übrigens an, dass diese der Stufe der Charaktere und dem Können der Spieler angepasst sein sollten.


Anschließend gibt Holmes Anweisungen, wie die Spieler sich organisieren sollten. Folgender Absatz ist dabei interessant:


"Mapper", "Chronicler" und "Caller"waren wichtige Spielerrollen in den frühen D&D-Tagen. In den späteren Versionen verschwinden diese Begriffe aus den Regelwerken. Ich möchte in diesem und zwei weiteren Posts die Begriffe einzeln beleuchten und fragen, ob diese Rollen in heutigen Spielsituationen noch Sinn machen. 

Beginnen wir mit dem Caller. Er ist derjenige, der nach Absprache mit der Gruppe dem SL mitteilt, welche Figur welche Aktion setzt. Was er dem SL mitteilt, gilt.

In den von Tom Moldvay editierten Basic Rules von 1980, Kapitel 4, "Organizing a Party", wird der Caller etwas genauer definiert:


Ein Spieler, dessen Figur einen möglichst hohen Charisma-Wert hat, sollte demnach die Aufgabe übernehmen. Das Ziel ist klar. Die Spieler sollen sich zunächst untereinander absprechen, was jede einzelne Figur bzw. die Gruppe als Ganzes zu tun gedenkt. Sobald man sich einig ist, meldet der Caller die Aktionen an den SL weiter.

Doch warum dieser Umweg? Der SL könnte doch genauso gut jeden Spieler reihum befragen, was seine Figur zu tun gedenkt. 

Dazu muss man wissen, dass die Spielgruppen in den frühen Jahren des Rollenspiels weitaus größer waren, als sie es heute sind. Die aktuelle Version 5 von D&D empfiehlt 4-5 Spieler. Zu Zeiten von Gary Gygax waren es 20 und mehr Spieler.

Dazu Band 1 der ersten Version von D&D (1974):


20 oder mehr Spieler! Man kann sich vorstellen, dass es für einen SL mühsam werden konnte, ein Spiel dieser Größenordnung zu leiten. Es bedeutete, 20 und mehr Personen immer wieder die Frage zu stellen: Was machst du? Mit dem Ergebnis, dass die Ansagen widersprüchlich sein konnten, weil die Spieler sich nicht einig sind. Oder der erste Spieler seine angesagte Aktion ändern will, nachdem er gehört hat, was der 15. Spieler plant, usw. Die Gefahr war groß, dass das Spiel im Chaos versinkt. 

Indem der SL die Organisation der Spieleraktionen an den Caller abgab, konnte er sich darauf konzentrieren den Dungeon zu beschreiben und die Monster und NSC zu führen. Daher also der Caller.

Der Caller kommunizierte nach Konsensfindung nicht nur die Entscheidungen der Spieler an den SL, er sprach auch im Namen der Gruppe mit den NSC. Daher der Verweis im Moldvay-Regelwerk, dass die Figur des Callers einen möglichst hohen Wert in Charisma haben sollte; ein Charisma-Bonus brachte Vorteile bei Verhandlungen mit NSC. 

All das bedeutet nicht, dass es zwischen dem SL und den anderen Spielern keine Kommunikation gab. Der SL wandte sich immer wieder einzelnen Spielern zu, etwa wenn deren Figur von einem NSC angesprochen wurde oder wenn das Handeln einer einzelnen Spielfigur im Zentrum des Spieles stand. Der Caller beschleunigte aber die Entscheidungsfindung in der Gruppe und ermöglichte dadurch das Spiel in Gruppen von 20 und mehr Spielern zu meistern.

Da heute die Spielergruppen tendenziell überschaubar groß sind, braucht es den Caller nicht mehr zwingend. Der SL kann im Normalfall ohne Zeitverlust direkt mit den Spielern kommunizieren. Dennoch: Bei langwierigen Diskussionen am Spieltisch kann es Sinn machen, wenn vorab vereinbart wird, welcher Spieler dem SL die getroffenen Entscheidungen mitteilt. Insofern bleibt der Caller für manche Situationen eine hilfreiche Spielerrolle, um den SL zu entlasten.

November 23, 2020

Der Zufall als Spielleiter

Seit den frühen Tagen des Hobbys spielen Zufallstabellen eine große Rolle. Sie inspirieren den Spielleiter und nehmen ihm Arbeit ab. Ein Würfelwurf und der SL weiß, welche Gegenstände der Dieb in der Tasche seines Opfers findet, welcher magische Gegenstand in der Truhe verschlossen ist oder welche Gegner im Dungeon auf die Spieler lauern.

Zufallstabellen sind aber noch viel mehr. 

Wird etwa das Verhalten von NSC mit einer Zufallstabelle verknüpft, trägt sie zur Charakterisierung der Figuren bei. 

In unserem neuen Abenteuer „Der Heilige von Bruckstadt“ (Erscheinungstermin voraussichtlich Ende Dezember 2020) treffen die Spieler in einem ruinierten Haus auf die Wachen Nagl und Urm. Eine Tabelle gibt Auskunft, was die beiden gerade tun.

1: Nagl rasiert sich den Bart vor einem Handspiegel, den er am Kaminsims aufgestellt hat. Urm ölt seine Arkebuse.

2: Essen Eintopf aus Holznäpfen: Sprechen in gedämpfter Stimme über die Eule ihrer Anführerin, von der sie glauben, das der Vogel ein verzauberter Liebhaber ist.

3: Würfeln um ihren kürzlich ausbezahlten Sold.

4-5: Heftiger Streit, weil Nagl entdeckt hat, dass Urm mit gezinkten Würfeln spielt.

6: Nagl wäscht sein blutfleckiges Hemd in einem Holzbottich. Urm liegt mit Bauchstich blutend am Lager.

Unabhängig vom erwürfelten Ereignis, erhält der Spielleiter aus der Tabelle Informationen über Nagl und Urm: Die beiden sind Spieler, bereit ihren hart verdienten Sold in die Waagschale des Glücks zu werfen. Urm ist zudem ein Betrüger, Nagl gewalttätig. Beide haben offenbar Respekt vor einer Frau namens Suula, der sie magisches Wissen unterstellen.

Unabhängig von der erwürfelten Szene kann der SL dieses Hintergrundwissen nutzen, um die Wachen und ihr Verhalten lebhaft zu beschreiben.


Rulings over Rules

Wie immer bei Zufallstabellen handelt es sich zunächst nur um Vorschläge. Der SL kann auf das Würfeln verzichten und sich statt dessen bewusst für eine der 5 Szenen entscheiden oder die Tabelle völlig ignorieren, wenn ihm mögliche Ergebnisse nicht in die Spielsituation zu passen scheinen. Wie in der Tradition der OSR üblich, gilt auch hier: Rulings over Rules.


Wie James Maliszewski auf seinem Blog Grognardia ausführt, gab es Tabellen für das Verhalten von NSC bereits in der ersten Ausgabe von Dungeons & Dragons (1974). Der dritte Band der Regeln (The 
Underworld & Wilderness Adventures) enthält die Tabelle „Random Actions by Monsters“. Ein W12 bestimmt, ob das Monster sich aggressiv, neutral oder friedlich gegenüber den SC verhält.

Im von Tom Moldvay editierten D&D Regelwerk von 1981 gibt es eine Tabelle „Retainer Reactions“. Hier bestimmt der W12, ob ein anzuheuernder Mietling auf das Angebot der SC eingeht. Wobei ein besonders gutes Angebot oder ein hoher Charisma-Wert einen Würfelbonus bringt.

Die Zufallstabelle lässt sich also zu Gunsten der SC beeinflussen.

Von Nutzen sind Zufallstabellen auch, wenn es darum geht, einen Dungeon aufzustocken, nachdem die SC aus einer Ruhephase zurückkehren.





Vor allem bei einem Mega-Dungeon, den die Spieler dutzende Male verlassen, um zu heilen und Ausrüstung aufzustocken, helfen Tabellen den Dungeon lebendig zu halten. Prominent umgesetzt hat das Greg Gillespie in seinem Mega-Dungeon Barrowmaze: Eine Zufallstabelle bestimmt, ob in einen bereits erforschten Raum neue Monster eingezogen sind.

Andere Dungeon-Abenteuer gehen noch weiter und ermitteln per Zufallstabellen, ob ein bisher unentdecktes Gewölbe in der Zwischenzeit von konkurrierenden Grabräubern geplündert wurde.

Zufallstabellen haben daher das Potenzial, nicht nur für die Spieler, sondern auch für den SL, den Spielverlauf ein Stück weit mehr unvorhersehbar zu machen, als es ein Rollenspiel sowieso schon ist. 

Natürlich sind dem auch Grenzen gesetzt. Wenn alles eine Frage des Zufalls ist, verliert das Spiel für die Spieler an Planbarkeit, was frustrieren kann und die Welt unsinnig erscheinen lässt.

Klug eingesetzt, können Tabellen dem SL ein Stück weit die Zügel aus der Hand nehmen und für erfrischende Wendungen sorgen.