Posts mit dem Label henchmen&hirelings werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label henchmen&hirelings werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

September 21, 2021

Wer braucht Henchmen & Hirelings?

Henchmen & Hirelings sind ikonische Figuren aus den frühen Zeiten des Dungeons&Dragons Universums. Heute sind sie rar geworden. In der aktuellen Version des D&D-Regelwerks nehmen sie nur eine Nebenrolle ein.

Woran liegt es? Hat sich der Spielstil so sehr verändert, dass H&H nicht mehr gebraucht werden? Oder sind die (rollen-)spielerischen Möglichkeiten in Vergessenheit geraten, die sich durch den Einsatz dieser Figuren bieten?

Zeit für einen Rückblick auf die 70er und 80er, als H&H noch fester Bestandteil des Spiels waren.

Bild: Mariela Schöffman


Bereits im ersten Band des D&D Regelwerks von 1974 widmet Gary Gygax dem Anwerben von NSC knapp zwei Seiten:

„In all probability the referee will find it beneficial to allow participants in the campaign to "hire into service" one or more characters.“

In den folgenden Ausführungen unterscheidet Gygax zwischen Söldnern (Mercenaries) und dem Gefolge (Entourage). Erstere bezeichnen NSC, die für ein Abenteuer angeheuert werden, einen Anteil an der Beute erhalten und anschließend wieder ihrer Wege ziehen. Das Gefolge hingegen sind NSC, die dem Spielercharakteren langfristig dienen.

Doch wozu ein Gefolge? In den frühen Zeiten des Hobbys war es üblich, dass die SC ab einer bestimmten Stufe das Dungeon-Erkunden an den Nagel hängten und sich statt dessen zu Herren über Burgen und Schlösser machten. Politische Ränkespiele, Kriege und die Verwaltung von Landstrichen rückten in den Vordergrund des Spiels. Doch wer herrschen will, braucht jene, denen er befehlen kann. Daher das Gefolge. 

Entscheidende Frage bei jeder Gefolgschaft ist die Loyalität, die vor allem dann auf die Probe gestellt wird, wenn Gefährliches von den Untergebenen abverlangt wird. Auch dazu hat Gygax sich Gedanken gemacht: Um mögliche Versuche der Spieler zu unterbinden, die NSC anstelle der SC gefährlichen Situationen auszusetzen, schreibt er:

„Men, dwarves and elves will serve as retainers with relative loyalty so long they receive their pay regularly, are treated fairly [and] are not continually exposed to extra-hazardous duty ...“

Sollte ein NSC dennoch in eine extrem gefährliche Lage geraten (oder getrieben werden), wird daher ein Probewurf auf Moral fällig. Scheitert die Probe, weigert der NSC sich die Handlung auszuführen oder läuft davon.

Gefolgsleute gesucht!


Doch wo finden die Spieler jene, die mutig oder verzweifelt genug sind, sich von ihnen anwerben zu lassen? Gygax schlägt vor, in Gasthöfen und Tabernen Zettel zu hinterlassen mit dem Hinweis, dass die SC Handwerker und Söldner anheuern. Ebenso könnten die Spieler bezahlte Ausrufer an öffentliche Orte schicken, wo diese lautstark verkünden, welche Art von Spezialisten die SC suchen. Wollen die Spieler gezielt Elfen oder Zwergen anstellen, müssten sie Boten in deren Länder schicken.

Ist erst einmal ein passender Kandidat gefunden, muss dieser überzeugt werden in die Dienste der SC zu treten. Gygax schlägt hundert Goldstücke als Minimalgebot vor, um dem potentiellen Gefolgsmann eine Zusage zu entlocken. Zwerge würden tendenziell mehr verlangen, Magier könnten durch das Überlassen seltener Gegenstände ins Dienstverhältnis gelockt werden, Kleriker mit der Aussicht auf einen eigenen Kultplatz für ihre Gottheit.

Dabei wird rasch klar: Der Unterhalt von Söldnern und Gefolge ist nicht billig ist. Zusätzlich zu den hundert Goldstücken wollen sie einen Anteil an der Beute oder erwarten monatliche Zahlungen, Verpflegung und Unterkunft.

Zwischen Erfolg und Niederlage


Im AD&D-Regelwerk von 1978 treten erstmals die ikonischen Begriffe „Henchmen“ und „Hirelings“ auf  – im folgenden als Gefolgsleute und Mietlinge bezeichnet.

Worin unterscheiden sie sich? Während der Mietling eine Art bezahlter Arbeiter ist (Schmied, Kutschenfahrer, Wache, usw.) ist der Gefolgsmann dem SC persönlich verbunden. Dazu Gygax:

„A henchman is a more or less devoted follower of a character. In return of use of his or her abilities and talents, the henchman receives support, lodging, and a share of his or her master's or mistress' earnings ...“

Im 1979 erschienenen Dungeon Master’s Guide geht Gygax noch etwas genauer auf den Typus Gefolgsmann (Henchman) ein:

”Henchmen, whether male or female, are greatly desired by the discerning players, for they usually spell the difference between failure and success in the long term view. They are useful in individual adventures as a safety measure against the machinations of rival player characters, provide strength to the character and his stronghold, and lastly serve as a means of adventuring when the player character is unable to.“

Interessant an diesem Absatz ist, dass es in Gygax' Spielrunden offenbar zu Konflikten zwischen den SC kam (rival player characters), was sicher mit den unterschiedlichen Alignments der Charaktere zu tun gehabt hatte. Wenn Spieler A weiß, dass dem chaotisch-bösen Dieb von Spieler B nicht zu trauen ist, wirbt er natürlich Gefolgsleute an, die seinem SC den Rücken frei halten. Klingt nach Spass.

Weiters erfahren wir, dass es offenbar üblich war, Gefolgsleute anstelle der SC auf Abenteuer zu schicken. Sei es, weil der SC verwundet war oder sich (als Burgherr) um wichtigere Angelegenheiten kümmern musste. Eine interessante Möglichkeit Ersatzcharaktere aufzubauen, für den Fall, dass der Hauptcharakter einmal stirbt.

Mehr Schlagkraft, weniger XP


In den D&D Basic Rules von 1981 verfeinert Tom Moldvay den Prozess des Anwerbens von NSC. Dazu führt er eine Tabelle ein, um auszuwürfeln, wie mögliche Gefolgsleute und Mietlinge auf Anwerbungen reagieren.

Je nach dem, wie gut das Angebot und wie hoch der Charisma-Wert des SC ist, erhält der Spieler auf den Würfelwurf (2W6) Boni oder Mali. Am Ende willigt der NSC ein oder lehnt das Angebot entrüstet ab (sollte der SC recht knausrig sein, spricht sich das natürlich herum und wirkt sich negativ auf zukünftige Versuche aus, NSC anzuwerben).

Was bereits im AD&D-Regelwerk von 1978 angedeutet wurde, verdeutlichen die Basic Rules: Mietlinge und Gefolgsleute kosten nicht nur Gold, sondern auch XP. Werden am Ende eines Dungeon-Crawls die geborgenen Schätze und XP verteilt, erhält jeder NSC einen vollen Anteil daran. Was bedeutet: Je mehr Gefolgsleute und Mietlinge im Dungeon, desto weniger XP für die SC und desto langsamer erreichen sie neue Stufen. 

Mietlinge und Gefolgsleute für Dungeon-Abenteuer anzuwerben, ist daher ein zweischneidiges Schwert. Kosten und Nutzen halten die Waage was dazu führt, dass Spieler NSC nur sehr gezielt als Hilfskräfte einsetzen.

Wir heuern an!


Egal ob sie als Gefolgsleute und Mietlinge, als Fackelträger oder Söldner auftreten, angeheuerte NSC können das Spiel in jedem Fall bereichern. Wichtig ist dabei aber - das haben uns die Regeln aus den 70ern und 80ern gezeigt - dass Kosten und Nutzen die Waage halten und sie von den Spielern nicht als Kanonenfutter gegen allzu schwere Gegner oder Fallen missbraucht werden.

Da Burgen-Herrschafts-Abenteuer heute etwas aus der Mode gekommen sind und ein umfangreiches Gefolge daher eher nicht nötig ist, macht es wahrscheinlich Sinn die NSC auf einfache Träger und Spezialisten zu reduzieren.

Der Rucksack des Trägers fasst eine bestimmte Anzahl von Gegenständen - Schätze, Ausrüstung, Ersatzwaffen -, die sie gegen Bezahlung schleppen. Sie sind billiger als Spezialisten, kämpfen aber nur, um sich zu verteidigen und weigern sich, gefährliche Aktionen durchzuführen.

Spezialisten hingegen (Söldner, Diebe, Magier, usw.) verlangen einen vollen Anteil an der Beute, sind dafür aber auch bereit zu kämpfen. Werden sie extrem gefährlichen Situationen ausgesetzt, wirft der Spieler eine Probe auf ihren Moral-Wert. Um den SC nicht die Show zu stehlen, sollten die angeworbenen Spezialisten immer niedrig-stufiger sein als die Spielerfiguren.

Die NSC agieren normalerweise als eigenständige Figuren, was bedeutet, dass sie im Kampf ihren eigenen Attackewurf bekommen. Um Zeit zu sparen, könnte anstelle des Attackewurfes der SC einen Kampfbonus durch den Gefolgsmann an seiner Seite erhalten.
Denkbar wäre ein Bonus auf den Attacke- oder Schadenswurf, ein erhöhter Rüstungswert oder, im Falle eines tödlichen Treffers, eine 50-prozentige Chance, dass der Gefolgsmann an Stelle des SC stirbt.

Damit sich Gefolgsleute nicht nur technisch bemerkbar machen (höhere Tragkapazität, zusätzliche AT-Würfel), sollte der Spielleiter ihnen einprägsame Charakterzüge verpassen. Diese sollten auch herausfordernde Elemente beinhalten.

Der Kriegsveteran mag zwar ein ausgezeichneter Armbrustschütze sein, verliert aber völlig die Nerven, sobald jemand seine fehlende Kopfbehaarung anspricht. Die Diebin mit den schnellen Fingern knackt zwar fast jedes Schloss, kann aber glitzernden Steinen nicht widerstehen, die sie sofort verschluckt, um sie unmissverständlich für sich in Besitz zu nehmen.

Nicht nur bieten diese Charakterzüge viel Potential für Rollenspiel im Dungeon, sie erinnern die Spieler auch daran, dass angeheuerte NSC Dinge nicht nur erleichtern, sondern an anderer Stelle auch verkomplizieren können.

In diesem Sinne: Verteilt Flugblätter, schickt Stadtschreier aus und gebt den Henchmen und Hirelings eine Chance!

Wie sieht es an euren Spieltischen aus? Sind H&H Teil eures Spiels oder verzichtet ihr auf sie?