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November 24, 2021

Rollenspiel in den 70ern und heute


Der Begriff Rollenspiel geht auf die Anfänge von Dungeons&Dragons zurück. Doch was verstanden die frühen Spieler darunter? Stand das konsequente Spielen der Rollen im Vordergrund, oder legten sie mehr Wert auf Charakter-Optimierung? Und wie wichtig waren Regeln und Würfelergebnisse gegenüber einem frei erzählten Spiel? 

Der folgende Blogbeitrag wirft einen Blick auf die Anfänge des Rollenspiel-Hobbys.




Fan-Zines als Geburtshelfer des Rollenspiels


Das 1974 erschienene D&D gilt als erstes Rollenspiel. Sieht man sich die Originalausgabe von damals jedoch genau an, wird man feststellen, dass der Begriff Rollenspiel in keinem der drei Bände zu finden ist.

Der Untertitel von Dungeon&Dragons lautete "Rules for Fantastic Medieval Wargames Campaigns“ und verweist damit auf jene Tradition, aus der heraus D&D sich entwickelt hatte: Dem Kriegsspiel mit Miniaturen.

Der Begriff Rollenspiel setzte sich erst nach der Publikation des ersten D&D-Regelwerks durch. Was genau darunter zu verstehen ist und wie dieses Rollenspiel am Spieltisch umzusetzen sei, darüber diskutierte die Gamer-Community in den Fan-Zines der 70er und frühen 80er. Jon Peterson hat diese Debatten in seinem Buch The Elusive Shift untersucht. 

Gary Gygax war ein langjähriger Wargamer bevor er Dungeons&Dragons publizierte und auch die ersten Spieler kamen zum großen Teil aus der Wargaming-Community. Das ist wichtig, um die Debatte rund um D&D zu verstehen, wie sie sich in den Beiträgen und Leserkommentaren der damals noch sehr zahlreichen Print-Magazine entspann.

Es dauerte, bis sich das Verständnis von Spiel, wie die Community es aus Wargames kannte, zu etwas Neuem verschob, das uns heute unter dem Begriff Rollenspiel bekannt ist.

Vom "Modern War" zum Dungeon Crawl


Zahlreiche Elemente aus D&D waren Wargamern bereits bekannt. So wurde die Idee, wonach die Spieler nicht ganze Armee-Einheiten, sondern einzelne Figuren steuern, bereits bei Michael Korns' 1966 erschienenem „Modern War in Miniature“ umgesetzt. 

Bei diesem Kriegsspiel treten wie gewohnt zwei Spieler gegeneinander an. Allerdings haben die Spieler nicht, wie bei Wargames üblich, den gesamten Überblick über Anzahl und Stärke der eigenen und gegnerischen Einheiten. Vielmehr wissen sie nur, was die von ihnen gesteuerte Spielfigur in jedem Augenblick der Schlacht wissen kann.

Das ging so weit, dass Spieler auch über exakte Wirkung von Waffen oder Geschwindigkeit von Fahrzeugen nicht Bescheid wussten. Die Spieler beschrieben, welche Aktionen ihre Soldaten-Figur durchführte, der Spielleiter berechnete anhand (geheimer) Tabellen und Formeln den Ausgang.

Der folgende Dialog aus dem Regelwerk von "Modern War in Miniature" beschreibt ein Gefecht zwischen deutschen und US-amerikanischen Soldaten und zeigt, wie die Kommunikation zwischen Spielern und Spielleiter verlief:

Spielleiter (SL): "Eine Gewehrkugel trifft dich in die Seite. Ihr Aufprall hat dich tiefer in den Schützengraben gestoßen. Du blutest aus dem Mund. Du siehst, wer dich angeschossen hat. Der Amerikaner ist links von dir, etwa 12 Meter entfernt. Er läuft mit seinem Bajonett auf dich zu."
Spieler (S): "Kann ich mich bewegen?"
SL: "Ja, aber du bist fast bewusstlos."
S: "Ich drehe mich um und feuere meine Schmeisser auf ihn ab."
SL:" Er kommt rasch näher. Du verschießt deine Kugeln in einem weiten Bogen, als du dich umdrehst. 7 Meter, 4 Meter, 1 Meter, ich befürchte, du bist tot."

Im Hintergrund des Dialogs berechnete der SL den Schaden von Gewehr- und Pistolenkugeln, die Trefferchance und die Geschwindigkeit des US-Soldaten, der auf den Deutschen zustürmt. Eine Spielrunde entsprach dabei zwei Sekunden.

Das alles erinnert schon ziemlich stark an das, was Gygax acht Jahre später in seinem D&D-Regelwerk präsentierte. Doch anders als Korns' Regelwerk, das eine ganz gute Vorstellung davon liefert, wie das Spiel in der Praxis ablief, blieb Gygax bei seinen Regeln an vielen Stellen vage.

Vielmehr ermunterte er Spieler und Spielleiter aus dem gegebenen Regelgerüst zu machen, was ihnen beliebte: „... es sind Richtlinien, aus denen jeder seine eigene fantastisch-mittelalterliche Kampagne erschaffen kann", schrieb Gygax im Vorwort des ersten Bandes. "[Die Richtlinien] liefern den Rahmen, innerhalb dessen sich ein sehr einfaches oder enorm komplexes Spiel basteln lässt ...“

Spielleiter: Gegner der Spieler oder neutraler Schiedsrichter?


Das lose D&D-Regelwerk ließ viele Fragen offen. Ein Brennpunkt zahlreicher Debatten war der Spielleiter und dessen Rolle im Spiel. Denn anders als bei Wargames vermittelte er nicht zwischen zwei gegnerischen Parteien, sondern verwaltete die Gegner der Spieler, die gemeinsam und nicht gegeneinander antraten. Waren Spielleiter und Spieler daher Gegner? Und falls ja, wie hart durfte der Spielleiter bzw. wie nachgiebig musste er sein?

Was für uns heute klar scheint (der SL sollte möglichst neutral sein), wurde anfangs nicht immer so umgesetzt. Stevenson berichtet in seinem Buch "Elusive Shift" von Clubs in den USA, wo der Gamemaster bei D&D-Runden gegen die Spieler antrat. Viele GM brüsteten sich mit hohen Prozentsätzen an Todesfällen bei Spielerfiguren, die sich in ihre Dungeons wagten. Für die geplagten Spieler war es daher vielerorts üblich, NSC zu engagieren, die alle möglichen verdächtigen Knöpfe und Hebel drückten, um die Hauptcharaktere vor den tödlichen Fallen zu schützen.

Berühmt ist Gary Gygax' Tomb of Horrors, das er bei der ersten Origins Spielemesse 1975 in Colombo vorstellte. Das Abenteuer war ein Spießrutenlauf aus willkürlichen Fallen, einstürzenden Gewölben, Fallgruben, tödlichen Giftwolken und unvorhersehbaren Hinterhalten, wie Teilnehmer es beschreiben. Einer der Spieler soll frustriert über Gygax' Stil das Spiel als Dungeon-Roulette bezeichnet haben.

Story vs Regelwerk


Eine andere Frage, die die frühe Community umtrieb, war, wieviel Story und wie viel Regelwerk das Spiel brauchte.

Die einen wollten durch das Spiel eine Geschichte erleben, die möglichst nicht durch Regeln oder zu viel Würfelei aufgehalten werden sollte. Die anderen bevorzugten ein mehr strategisch ausgerichtetes Spiel, das nur möglich sei, wenn Spieler die Regeln kannten und Einsicht in die Stärken und Schwächen ihrer Spielfiguren hatten.

Es gab Spielrunden, bei denen der Spielleiter alle Würfe anstelle der Spieler durchführte (und die Ergebnisse für sich behielt). Das schloss auch die Verwaltung der Lebensenergie der Spielfiguren mit ein. Die Spieler verfügten daher ausschließlich über jene Informationen, über die auch deren Charaktere zum gegebenen Zeitpunkt verfügten (der Spieler wusste daher nur, dass seine Spielfigur sich schwach fühlt und viel Blut verliert, nicht aber, dass sie nur mehr 3 Lebenspunkte besitzt).

Das Gegenteil davon waren jene Spieler, die D&D in der Tradition von Wargames als Simulation spielten. Sie kannten nicht nur die Würfelmechanismen im Detail und wussten zu jeder Zeit über die Werte ihrer Figuren Bescheid, sondern auch über jene ihrer Gegner, inklusive deren Lebenspunkte und magische Eigenschaften. Ihr Argument war, dass nur durch Einsicht in Regeln und Würfelmechanismen Risiken für die Spieler abschätzbar seien und im Sinne eines strategischen Spiels sinnvolle Entscheidungen getroffen werden können.

Das D&D Regelwerk ließe beide Zugänge zu. Bis heute sind diese Richtungen im Hobby vertreten. 

Neue (alte) Fragen


1977 tauchte der Begriff Rollenspiel schließlich im (etwas sperrigen) Titel des neuen Dungeons&Dragons Basic Set auf: Rules for Fantastical Medieval Role Playing Adventure Game Campaign.

Das neue Regelwerk brachte mehr Klarheit und füllte einige der Lücken aus der ersten Version von D&D. Im Laufe der Jahre etablierte sich der Spielleiter als neutraler Moderator, ging die Sterblichkeit in den Dungeons deutlich zurück; die Gegner wurden den Stufen der Spielfiguren angepasst, womit auch die NSC an Bedeutung verloren (Ein Gegensteuern zu diesem Trend erlebt die Szene seit Mitte der 0er Jahre mit dem Aufkommen der OSR).

Zahlreiche der heute im Hobby neu diskutierten Fragen sind eigentlich sehr alte, die seit Beginn des Hobbys immer wieder neu gestellt werden: Wie autoritär darf/soll der Spielleiter sein? Wie viel SL braucht ein Spiel überhaupt? Soll mehr Wert auf Würfelei und Werte-Optimierung, oder auf Rollenspiel gelegt werden? Geht's auch ganz ohne Würfel? 

Endgültig zu klären werden diese und ähnliche Fragen nie sein. Vielmehr wird sie jede Spielergeneration für sich beantworten müssen. Und das ist gut so. Denn genau diese Unschärfe, wie sie seit dem ersten D&D-Regelwerk von Gary Gygax existiert, ist Kern der Kreativität des Hobbys.


September 21, 2021

Wer braucht Henchmen & Hirelings?

Henchmen & Hirelings sind ikonische Figuren aus den frühen Zeiten des Dungeons&Dragons Universums. Heute sind sie rar geworden. In der aktuellen Version des D&D-Regelwerks nehmen sie nur eine Nebenrolle ein.

Woran liegt es? Hat sich der Spielstil so sehr verändert, dass H&H nicht mehr gebraucht werden? Oder sind die (rollen-)spielerischen Möglichkeiten in Vergessenheit geraten, die sich durch den Einsatz dieser Figuren bieten?

Zeit für einen Rückblick auf die 70er und 80er, als H&H noch fester Bestandteil des Spiels waren.

Bild: Mariela Schöffman


Bereits im ersten Band des D&D Regelwerks von 1974 widmet Gary Gygax dem Anwerben von NSC knapp zwei Seiten:

„In all probability the referee will find it beneficial to allow participants in the campaign to "hire into service" one or more characters.“

In den folgenden Ausführungen unterscheidet Gygax zwischen Söldnern (Mercenaries) und dem Gefolge (Entourage). Erstere bezeichnen NSC, die für ein Abenteuer angeheuert werden, einen Anteil an der Beute erhalten und anschließend wieder ihrer Wege ziehen. Das Gefolge hingegen sind NSC, die dem Spielercharakteren langfristig dienen.

Doch wozu ein Gefolge? In den frühen Zeiten des Hobbys war es üblich, dass die SC ab einer bestimmten Stufe das Dungeon-Erkunden an den Nagel hängten und sich statt dessen zu Herren über Burgen und Schlösser machten. Politische Ränkespiele, Kriege und die Verwaltung von Landstrichen rückten in den Vordergrund des Spiels. Doch wer herrschen will, braucht jene, denen er befehlen kann. Daher das Gefolge. 

Entscheidende Frage bei jeder Gefolgschaft ist die Loyalität, die vor allem dann auf die Probe gestellt wird, wenn Gefährliches von den Untergebenen abverlangt wird. Auch dazu hat Gygax sich Gedanken gemacht: Um mögliche Versuche der Spieler zu unterbinden, die NSC anstelle der SC gefährlichen Situationen auszusetzen, schreibt er:

„Men, dwarves and elves will serve as retainers with relative loyalty so long they receive their pay regularly, are treated fairly [and] are not continually exposed to extra-hazardous duty ...“

Sollte ein NSC dennoch in eine extrem gefährliche Lage geraten (oder getrieben werden), wird daher ein Probewurf auf Moral fällig. Scheitert die Probe, weigert der NSC sich die Handlung auszuführen oder läuft davon.

Gefolgsleute gesucht!


Doch wo finden die Spieler jene, die mutig oder verzweifelt genug sind, sich von ihnen anwerben zu lassen? Gygax schlägt vor, in Gasthöfen und Tabernen Zettel zu hinterlassen mit dem Hinweis, dass die SC Handwerker und Söldner anheuern. Ebenso könnten die Spieler bezahlte Ausrufer an öffentliche Orte schicken, wo diese lautstark verkünden, welche Art von Spezialisten die SC suchen. Wollen die Spieler gezielt Elfen oder Zwergen anstellen, müssten sie Boten in deren Länder schicken.

Ist erst einmal ein passender Kandidat gefunden, muss dieser überzeugt werden in die Dienste der SC zu treten. Gygax schlägt hundert Goldstücke als Minimalgebot vor, um dem potentiellen Gefolgsmann eine Zusage zu entlocken. Zwerge würden tendenziell mehr verlangen, Magier könnten durch das Überlassen seltener Gegenstände ins Dienstverhältnis gelockt werden, Kleriker mit der Aussicht auf einen eigenen Kultplatz für ihre Gottheit.

Dabei wird rasch klar: Der Unterhalt von Söldnern und Gefolge ist nicht billig ist. Zusätzlich zu den hundert Goldstücken wollen sie einen Anteil an der Beute oder erwarten monatliche Zahlungen, Verpflegung und Unterkunft.

Zwischen Erfolg und Niederlage


Im AD&D-Regelwerk von 1978 treten erstmals die ikonischen Begriffe „Henchmen“ und „Hirelings“ auf  – im folgenden als Gefolgsleute und Mietlinge bezeichnet.

Worin unterscheiden sie sich? Während der Mietling eine Art bezahlter Arbeiter ist (Schmied, Kutschenfahrer, Wache, usw.) ist der Gefolgsmann dem SC persönlich verbunden. Dazu Gygax:

„A henchman is a more or less devoted follower of a character. In return of use of his or her abilities and talents, the henchman receives support, lodging, and a share of his or her master's or mistress' earnings ...“

Im 1979 erschienenen Dungeon Master’s Guide geht Gygax noch etwas genauer auf den Typus Gefolgsmann (Henchman) ein:

”Henchmen, whether male or female, are greatly desired by the discerning players, for they usually spell the difference between failure and success in the long term view. They are useful in individual adventures as a safety measure against the machinations of rival player characters, provide strength to the character and his stronghold, and lastly serve as a means of adventuring when the player character is unable to.“

Interessant an diesem Absatz ist, dass es in Gygax' Spielrunden offenbar zu Konflikten zwischen den SC kam (rival player characters), was sicher mit den unterschiedlichen Alignments der Charaktere zu tun gehabt hatte. Wenn Spieler A weiß, dass dem chaotisch-bösen Dieb von Spieler B nicht zu trauen ist, wirbt er natürlich Gefolgsleute an, die seinem SC den Rücken frei halten. Klingt nach Spass.

Weiters erfahren wir, dass es offenbar üblich war, Gefolgsleute anstelle der SC auf Abenteuer zu schicken. Sei es, weil der SC verwundet war oder sich (als Burgherr) um wichtigere Angelegenheiten kümmern musste. Eine interessante Möglichkeit Ersatzcharaktere aufzubauen, für den Fall, dass der Hauptcharakter einmal stirbt.

Mehr Schlagkraft, weniger XP


In den D&D Basic Rules von 1981 verfeinert Tom Moldvay den Prozess des Anwerbens von NSC. Dazu führt er eine Tabelle ein, um auszuwürfeln, wie mögliche Gefolgsleute und Mietlinge auf Anwerbungen reagieren.

Je nach dem, wie gut das Angebot und wie hoch der Charisma-Wert des SC ist, erhält der Spieler auf den Würfelwurf (2W6) Boni oder Mali. Am Ende willigt der NSC ein oder lehnt das Angebot entrüstet ab (sollte der SC recht knausrig sein, spricht sich das natürlich herum und wirkt sich negativ auf zukünftige Versuche aus, NSC anzuwerben).

Was bereits im AD&D-Regelwerk von 1978 angedeutet wurde, verdeutlichen die Basic Rules: Mietlinge und Gefolgsleute kosten nicht nur Gold, sondern auch XP. Werden am Ende eines Dungeon-Crawls die geborgenen Schätze und XP verteilt, erhält jeder NSC einen vollen Anteil daran. Was bedeutet: Je mehr Gefolgsleute und Mietlinge im Dungeon, desto weniger XP für die SC und desto langsamer erreichen sie neue Stufen. 

Mietlinge und Gefolgsleute für Dungeon-Abenteuer anzuwerben, ist daher ein zweischneidiges Schwert. Kosten und Nutzen halten die Waage was dazu führt, dass Spieler NSC nur sehr gezielt als Hilfskräfte einsetzen.

Wir heuern an!


Egal ob sie als Gefolgsleute und Mietlinge, als Fackelträger oder Söldner auftreten, angeheuerte NSC können das Spiel in jedem Fall bereichern. Wichtig ist dabei aber - das haben uns die Regeln aus den 70ern und 80ern gezeigt - dass Kosten und Nutzen die Waage halten und sie von den Spielern nicht als Kanonenfutter gegen allzu schwere Gegner oder Fallen missbraucht werden.

Da Burgen-Herrschafts-Abenteuer heute etwas aus der Mode gekommen sind und ein umfangreiches Gefolge daher eher nicht nötig ist, macht es wahrscheinlich Sinn die NSC auf einfache Träger und Spezialisten zu reduzieren.

Der Rucksack des Trägers fasst eine bestimmte Anzahl von Gegenständen - Schätze, Ausrüstung, Ersatzwaffen -, die sie gegen Bezahlung schleppen. Sie sind billiger als Spezialisten, kämpfen aber nur, um sich zu verteidigen und weigern sich, gefährliche Aktionen durchzuführen.

Spezialisten hingegen (Söldner, Diebe, Magier, usw.) verlangen einen vollen Anteil an der Beute, sind dafür aber auch bereit zu kämpfen. Werden sie extrem gefährlichen Situationen ausgesetzt, wirft der Spieler eine Probe auf ihren Moral-Wert. Um den SC nicht die Show zu stehlen, sollten die angeworbenen Spezialisten immer niedrig-stufiger sein als die Spielerfiguren.

Die NSC agieren normalerweise als eigenständige Figuren, was bedeutet, dass sie im Kampf ihren eigenen Attackewurf bekommen. Um Zeit zu sparen, könnte anstelle des Attackewurfes der SC einen Kampfbonus durch den Gefolgsmann an seiner Seite erhalten.
Denkbar wäre ein Bonus auf den Attacke- oder Schadenswurf, ein erhöhter Rüstungswert oder, im Falle eines tödlichen Treffers, eine 50-prozentige Chance, dass der Gefolgsmann an Stelle des SC stirbt.

Damit sich Gefolgsleute nicht nur technisch bemerkbar machen (höhere Tragkapazität, zusätzliche AT-Würfel), sollte der Spielleiter ihnen einprägsame Charakterzüge verpassen. Diese sollten auch herausfordernde Elemente beinhalten.

Der Kriegsveteran mag zwar ein ausgezeichneter Armbrustschütze sein, verliert aber völlig die Nerven, sobald jemand seine fehlende Kopfbehaarung anspricht. Die Diebin mit den schnellen Fingern knackt zwar fast jedes Schloss, kann aber glitzernden Steinen nicht widerstehen, die sie sofort verschluckt, um sie unmissverständlich für sich in Besitz zu nehmen.

Nicht nur bieten diese Charakterzüge viel Potential für Rollenspiel im Dungeon, sie erinnern die Spieler auch daran, dass angeheuerte NSC Dinge nicht nur erleichtern, sondern an anderer Stelle auch verkomplizieren können.

In diesem Sinne: Verteilt Flugblätter, schickt Stadtschreier aus und gebt den Henchmen und Hirelings eine Chance!

Wie sieht es an euren Spieltischen aus? Sind H&H Teil eures Spiels oder verzichtet ihr auf sie?

April 28, 2021

Was taugt der D&D-Klassiker "The Keep on the Borderlands"?


Das Jahr 1979 war ein gutes für Dungeons. Im August präsentierte Gary Gygax auf der Gen Con XII den Abenteuerband The Village of Hommlet. Im Dezember publizierte TSR ein weiteres Abenteuermodul, ebenfalls von Gygax geschrieben: The Keep on the Borderlands

Das Besondere an beiden Abenteuerbänden ist, dass TSR darin die Trinität Dungeon - Wildnis - Rückzugsort eingeführt hat. Das Dorf Hommlet bzw. die Grenzfestung bieten den SC Schutz und die Möglichkeit, zwischen den Expeditionen ihre Ausrüstung zu erneuern, um anschließend - durch die Wildnis - zum Dungeon zurückzukehren. 

Dieses Konzept prägt Dungeon-Crawls bis heute. Im Folgenden wollen wir uns ansehen, was der 40 Jahre alten Klassiker The Keep on the Borderlands heute noch taugt.




Bei The Keep on the Borderlands fällt sofort auf, dass es als Einstiegsabenteuer entwickelt wurde (es lag bis 1982 der D&D Grundpackung bei). In einem einleitenden Kapitel spricht Gygax den zukünftigen Spielleiter an und gibt ihm einen Sack voll Tipps mit auf den Weg: Vom Spiel der Rollen über die Kommunikation mit den Spielern bis zur Verteilung von Erfahrungspunkten und Schätzen erfährt der neue SL eine Menge übers Rollenspiel. 

Swords for hire


Im unweit der Grenzfestung gelegenen Dungeon lauern zahlreiche und mitunter knackige Gegner auf die Spieler. Doch bei allen Herausforderungen, die Gygax den Spielern entgegenwirft, schreibt er: „Der Spielleiter sollte darauf achten, den Spielerfiguren eine angemessene Überlebenschance zu geben." Diese Überlebenschance ist vor allem von der Anzahl der SC abhängig.

Gygax empfiehlt 6 bis 9 Spieler der Stufe 1. Sind es weniger, können fehlende SC durch Mietlinge ersetzt werden. Diese kampferprobten NSC wollen für ihre Dienste natürlich entlohnt werden. Gygax schlägt vor, geborgenes Gold zu gleichen Anteilen unter allen Mitgliedern der Expedition aufzuteilen. Da gemäß den frühen Regeln von D&D jedes Goldstück einen Erfahrungspunkt bringt, besteht die Chance, dass öfter eingesetzte Mietlinge dadurch einen Stufenanstieg durchlaufen und stärker werden - Motivation für die Spieler, das Leben ihrer Gefolgsleute zu achten. 

Gleichzeitig ist dieser Mechanismus aber auch eine Bremse gegen den übermäßigen Einsatz von Mietlingen, denn mit jedem zusätzlichen Gefolgsmann verringert sich nicht nur die Beute, sondern auch die gewonnenen EP.

Mietlinge und Fackelträger sind bis heute beliebt bei OSR-Spielen, während sie beim offiziellen D&D in den Hintergrund gerückt sind. So hilfreich diese Gefolgsleute gerade in Spielen mit kleinen Gruppen sein können, darf doch der Aufwand für den SL nicht unterschätzt werden. In den OSR-Regelwerken gibt es unterschiedliche Ansätze, wie mit diesen NSC im Kampf verfahren wird. Einige simulieren ihre Kampfkraft, indem die SC, je nach Anzahl und Erfahrung der Mietlinge, Boni auf ihre Attacken oder ihren Rüstungswert erhalten. Gygax macht im Buch keine Angaben dazu. 

Um zu verhindern, dass Mietlinge nur farbloses Kanonenfutter sind, sollten diese NSC jedenfalls vom SL gespielt werden und das möglichst lebendig: Mit Ecken und Kanten und Zielen und Ängsten. Menschen, die auch schon mal einen Befehl verweigern, wenn sie davon ausgehen müssen, bei der Ausführung ums Leben zu kommen.

Da Gygax, wie in den frühen D&D-Zeiten üblich, von tendenziell großen Spielergruppen ausgeht, empfiehlt er einen Caller auszuwählen und einen Kartographen zu bestimmen. Zu beiden Spielerrollen habe ich bereits auf diesem Blog geschrieben. Bei Interesse könnt ihr die Beiträge weiter unten nachlesen.

Ein sicherer Hafen


Der Titel The Keep on the Borderlands stellt eine namentlich nicht genannte Grenzfestung in den Mittelpunkt des Abenteuers. Gygax hat diese Home Base mit einigen Details ausgestattet, um die Festung ein Stück weit zum Leben zu erwecken und mehr aus ihr zu machen, als einen ummauerten Laden für Ausrüstung und Waffen. „Die Festung ist ein Mikrokosmos, eine Welt in Miniatur“, schreibt Gygax. 

So erfährt der Leser, auf welche Weise die Grenzfestung bewacht wird und die Verteidigung im Kriegsfall organisiert ist, dass an Feiertagen ein Markt am Platz mit dem Springbrunnen abgehalten wird und es in der Taverne Gerüchte aufzuschnappen und Söldner anzuwerben gibt.

Und natürlich können die Spieler einige NSC treffen, woraus sich, je nach Verhalten der Spieler, Vor- und Nachteile ergeben können. So ist es für die SC von Vorteil, wenn sie sich mit dem einflussreichen Gildenmeister und dem Burgvogt gut stellen. Ein Juwelen-Händler, der darauf wartet, mit einer Karawane sicher in die Zivilisation zurückzukehren, könnte Auftraggeber für ein Folgeabenteuer sein und der ach so sympathische, Bier-saufende Priester wartet nur darauf (Achtung: Spoiler!), von den SC als Begleiter für die Dungeon-Expedition angeworben zu werden, um ihnen dann in den Rücken zu fallen. 

In einem Interview sagte Gygax über das Modul: "Es muss für alles einen Grund geben. Einen Grund, warum der Ort existiert, wer dort lebt und wie er lebt. Ebenso muss es einen Grund für die SC geben, ihr Leben zu riskieren, damit es an diesem Ort zu einem Abenteuer kommen kann. Keep on the Borderlands ist ein bis ins letzte Detail entworfener Ort, an dem verschieden Kreaturen um ihr Überleben kämpfen."

Dass die Grenzfestung bis ins letzte Detail ausgearbeitet ist, würde ich nicht unterschreiben. Es gibt definitiv Potential für tiefergehende Beschreibungen, wie zum Beispiel dunkle Geheimnisse, Liebschaften und Spannungen zwischen den Bewohnern, usw. Wie die Grenzfestung selbst hat übrigens auch keiner der NSC einen Namen (laut Gygax wurde darauf verzichtet, um das Modul möglichst einfach in bestehende Kampagnen einbauen zu können). Aber auch der Grund, warum die SC ihr Leben im Dungeon riskieren sollten, ist auf den ersten Blick nicht ganz klar.

Aber: Wir sollten nicht vergessen, dass das über 40 Jahre alte Modul als Sandbox Szenario entworfen wurde (Den Begriff "Sandbox" gab es damals allerdings noch nicht). Die beschriebenen Orte dienen nicht dazu, einen Plot zu zeichnen, der bei A beginnt und über B zum Höhepunkt des Abenteuers C führt. Gygax nimmt den SL nicht an der Hand, sondern bietet ihm an, aus den vorgelegten Puzzlestücken ein Abenteuer zu basteln, das für die Spielergruppe passt.

Und tatsächlich finden sich im Text ein paar Aufhänger für Abenteuer, die vom SL genutzt werden können. Ein von Hobgoblins gefangener Händler, eine verschollene Abenteurergruppe, ein Chaos-Schrein und der dazugehörig Priester, der sich in der Grenzfestung versteckt, usw. Mit etwas Kreativität lässt sich daraus eine schöne Geschichte für Einsteiger basteln, die mehr hergibt, als nur Dungeon-Monster tot zu schlagen.

Wildnis im Quadrat


Die Festung ist von Wildnis  - Wälder, Fluss, Sumpf - umgeben. Auf der Karte, übrigens in Quadrate, nicht in Hex-Felder unterteilt, sind fünf Orte beschrieben, an denen es für die Spieler etwas zu entdecken gibt. Der von der Festung am weitesten entfernte Ort ist der Dungeon "Die Höhlen des Chaos". Ein mittelgroßes Areal, in dem es viel zu holen, aber auch viel Gelegenheit zum Sterben gibt.

Große Geheimnisse birgt der Dungeon keine. Dennoch achtet Gygax auch hier auf Details. Die Monster existieren nicht beziehungslos nebeneinander. Orks, Goblins, Kobolde, Bugbears und andere Kreaturen sind verfeindet oder haben lose Allianzen. Diese können von den Spielern zum eigenen Vorteil ausgenutzt werden. So ist der im Dienst der Goblins stehende Oger-Söldner bestechlich und mit ein paar Goldmünzen lässt sich der (sehr fordernde) Kampf mit ihm vermeiden.

Gygax skizziert, wie sich die Dungeon-Bewohner im Falle eines Angriffs verhalten, woher gegebenenfalls Verstärkung kommt und wohin sie fliehen, sollte es notwendig sein. Er schlägt außerdem vor, die Monster aus gemachten Erfahrungen lernen zu lassen. Konnten die SC einige von ihnen meucheln, werden die Monster darauf reagieren und ihre Verteidigung verbessern indem sie Fallen aufstellen und die Wachen verdoppeln.

Als Alternative zum SC-Tod schlägt Gygax vor, dass Monster die SC gefangen nehmen könnten. Für entsprechendes Lösegeld werden sie frei gelassen. Die Monster-Bande gewinnt dadurch an Ansehen und zusätzliche Monster schließen sich ihnen an. Gleichzeitig wird der Stamm vorsichtig sein, weil er mit weiteren Angriffen durch die SC rechnet.

Das alles ist natürlich ausbaufähig, doch es ist klar, worauf Gygax hinaus will: Die Monster sind keine stupiden Kreaturen, die bewegungslos in ihren Verstecken verharren bis die SC kommen, um sich dann emotionslos abschlachten zu lassen. Statt dessen organisieren sie ihre Verteidigung, rufen nach Verstärkung im Falle eines Kampfes und fliehen, wenn die Lage aussichtslos ist.

Magie bis zum Abwinken


Insgesamt kommen in dem Abenteuer an die 60 (!) magische Gegenstände vor, nicht mitgezählt die diversen Tränke und Spruchrollen. Das ist sehr viel. Vor allem sehr viel einfallsloses Zeugs, wenn man bedenkt, dass der Großteil +1 und +2 Waffen oder Rüstungen sind. Natürlich gibt es (ein paar wenige) verfluchte Gegenstände, aber ausgefallenere Stücke, die unberechenbar sind und neben Vor- auch Nachteile bringen, sucht man vergebens. 

Neben zahlreichen magischen Gegenständen findet sich in der Festung auch auffällig viel Gold. Einige Blogger vermuteten daher, dass nicht der Dungeon, sondern die Grenzfestung eigentliches Beuteziel der Abenteurer sein könnte. Ein reizvoller Gedanke ...

Resümee


Natürlich merkt man dem Modul an, dass es mehr als 40 Jahre am Buckel hat. So wäre es hilfreich gewesen, bei den einzelnen (Dungeon-) Räumen zunächst das Interieur zu beschreiben, dann die Monster, ihre Werte und was sie bei sich tragen. Im Abenteuerband ist es mal so und mal so, was das rasche Scannen des Textes nach wesentlichen Infos erschwert.

Durch Gygax' einführende Worte ist das Spiel gerade für neue Spielleiter gut geeignet. Andererseits verlangt der Aufbau des Abenteuers ein Stück weit kreative Initiative, was grundsätzlich kein Problem sein sollte. Für neue SL könnte das zunächst jedoch herausfordernd erscheinen.

Anders als beim späteren, von Gary Gygax und Frank Mentzer geschriebenen Klassiker Temple of Elemental Evil (1984), fehlen den Höhlen des Chaos eine große Story, die es zu erkunden gilt. Der Fokus liegt am Kampf, die Spieler treffen auf eine bunte Mischung aus Monstern; Gnolle, Orks, Bugbears, Zombies, ein Minotaurus und natürlich Priester eines Chaos-Schreins. Sie alle leben in einem überschaubaren Dungeon eng beisammen und man könnte sich die Frage stellen, warum sie sich nicht schon längst gegenseitig aufgefressen haben. Aber, naja ... so war das halt in den frühen Zeiten von D&D.

The Keep on the Borderlands ist bis heute das am öftesten gedruckte D&D-Modul. Schätzungen zufolge wurden insgesamt 1,5 Millionen Exemplare verkauft. Zusätzlich gab es zahlreiche Überarbeitungen und Fortsetzungen des Abenteuers, das Gygax laut eigener Auskunft binnen einer Woche geschrieben hatte.

Abschließend lässt sich sagen, dass The Keep on the Borderlands auch heute noch als Einstiegsabenteuer für OSR-Fans geeignet ist. Rollenspielgeschichtlich ist es allemal interessant, weil zahlreiche Dungeon-Abenteuer wie Barrowmaze, oder auch kleinere Dungeon-Crawls wie (Werbung in eigener Sache:) Der Heilige von Bruckstadt, die von Gary Gygax 1979 entworfene Struktur bis heute aufgreifen und weitererzählen.