Dieser Blog ist Anfang des Jahres 2022 übersiedelt. Am Blog von gazerpress.at schreibe ich weiterhin über Historisches und Aktuelles rund ums Rollenspiel.
Tolkiens Albtraum
Juni 05, 2022
Übersiedelt
November 24, 2021
Rollenspiel in den 70ern und heute
Der Begriff Rollenspiel geht auf die Anfänge von Dungeons&Dragons zurück. Doch was verstanden die frühen Spieler darunter? Stand das konsequente Spielen der Rollen im Vordergrund, oder legten sie mehr Wert auf Charakter-Optimierung? Und wie wichtig waren Regeln und Würfelergebnisse gegenüber einem frei erzählten Spiel?
Der folgende Blogbeitrag wirft einen Blick auf die Anfänge des Rollenspiel-Hobbys.
Fan-Zines als Geburtshelfer des Rollenspiels
Der Untertitel von Dungeon&Dragons lautete "Rules for Fantastic Medieval Wargames Campaigns“ und verweist damit auf jene Tradition, aus der heraus D&D sich entwickelt hatte: Dem Kriegsspiel mit Miniaturen.
Der Begriff Rollenspiel setzte sich erst nach der Publikation des ersten D&D-Regelwerks durch. Was genau darunter zu verstehen ist und wie dieses Rollenspiel am Spieltisch umzusetzen sei, darüber diskutierte die Gamer-Community in den Fan-Zines der 70er und frühen 80er. Jon Peterson hat diese Debatten in seinem Buch The Elusive Shift untersucht.
Es dauerte, bis sich das Verständnis von Spiel, wie die Community es aus Wargames kannte, zu etwas Neuem verschob, das uns heute unter dem Begriff Rollenspiel bekannt ist.
Vom "Modern War" zum Dungeon Crawl
Zahlreiche Elemente aus D&D waren Wargamern bereits bekannt. So wurde die Idee, wonach die Spieler nicht ganze Armee-Einheiten, sondern einzelne Figuren steuern, bereits bei Michael Korns' 1966 erschienenem „Modern War in Miniature“ umgesetzt.
Bei diesem Kriegsspiel treten wie gewohnt zwei Spieler gegeneinander an. Allerdings haben die Spieler nicht, wie bei Wargames üblich, den gesamten Überblick über Anzahl und Stärke der eigenen und gegnerischen Einheiten. Vielmehr wissen sie nur, was die von ihnen gesteuerte Spielfigur in jedem Augenblick der Schlacht wissen kann.
Das alles erinnert schon ziemlich stark an das, was Gygax acht Jahre später in seinem D&D-Regelwerk präsentierte. Doch anders als Korns' Regelwerk, das eine ganz gute Vorstellung davon liefert, wie das Spiel in der Praxis ablief, blieb Gygax bei seinen Regeln an vielen Stellen vage.
Vielmehr ermunterte er Spieler und Spielleiter aus dem gegebenen Regelgerüst zu machen, was ihnen beliebte: „... es sind Richtlinien, aus denen jeder seine eigene fantastisch-mittelalterliche Kampagne erschaffen kann", schrieb Gygax im Vorwort des ersten Bandes. "[Die Richtlinien] liefern den Rahmen, innerhalb dessen sich ein sehr einfaches oder enorm komplexes Spiel basteln lässt ...“
Spielleiter: Gegner der Spieler oder neutraler Schiedsrichter?
Das lose D&D-Regelwerk ließ viele Fragen offen. Ein Brennpunkt zahlreicher Debatten war der Spielleiter und dessen Rolle im Spiel. Denn anders als bei Wargames vermittelte er nicht zwischen zwei gegnerischen Parteien, sondern verwaltete die Gegner der Spieler, die gemeinsam und nicht gegeneinander antraten. Waren Spielleiter und Spieler daher Gegner? Und falls ja, wie hart durfte der Spielleiter bzw. wie nachgiebig musste er sein?
Was für uns heute klar scheint (der SL sollte möglichst neutral sein), wurde anfangs nicht immer so umgesetzt. Stevenson berichtet in seinem Buch "Elusive Shift" von Clubs in den USA, wo der Gamemaster bei D&D-Runden gegen die Spieler antrat. Viele GM brüsteten sich mit hohen Prozentsätzen an Todesfällen bei Spielerfiguren, die sich in ihre Dungeons wagten. Für die geplagten Spieler war es daher vielerorts üblich, NSC zu engagieren, die alle möglichen verdächtigen Knöpfe und Hebel drückten, um die Hauptcharaktere vor den tödlichen Fallen zu schützen.
Berühmt ist Gary Gygax' Tomb of Horrors, das er bei der ersten Origins Spielemesse 1975 in Colombo vorstellte. Das Abenteuer war ein Spießrutenlauf aus willkürlichen Fallen, einstürzenden Gewölben, Fallgruben, tödlichen Giftwolken und unvorhersehbaren Hinterhalten, wie Teilnehmer es beschreiben. Einer der Spieler soll frustriert über Gygax' Stil das Spiel als Dungeon-Roulette bezeichnet haben.
Story vs Regelwerk
Eine andere Frage, die die frühe Community umtrieb, war, wieviel Story und wie viel Regelwerk das Spiel brauchte.
Es gab Spielrunden, bei denen der Spielleiter alle Würfe anstelle der Spieler durchführte (und die Ergebnisse für sich behielt). Das schloss auch die Verwaltung der Lebensenergie der Spielfiguren mit ein. Die Spieler verfügten daher ausschließlich über jene Informationen, über die auch deren Charaktere zum gegebenen Zeitpunkt verfügten (der Spieler wusste daher nur, dass seine Spielfigur sich schwach fühlt und viel Blut verliert, nicht aber, dass sie nur mehr 3 Lebenspunkte besitzt).
Das D&D Regelwerk ließe beide Zugänge zu. Bis heute sind diese Richtungen im Hobby vertreten.
Neue (alte) Fragen
1977 tauchte der Begriff Rollenspiel schließlich im (etwas sperrigen) Titel des neuen Dungeons&Dragons Basic Set auf: Rules for Fantastical Medieval Role Playing Adventure Game Campaign.
Endgültig zu klären werden diese und ähnliche Fragen nie sein. Vielmehr wird sie jede Spielergeneration für sich beantworten müssen. Und das ist gut so. Denn genau diese Unschärfe, wie sie seit dem ersten D&D-Regelwerk von Gary Gygax existiert, ist Kern der Kreativität des Hobbys.
September 21, 2021
Wer braucht Henchmen & Hirelings?
Woran liegt es? Hat sich der Spielstil so sehr verändert, dass H&H nicht mehr gebraucht werden? Oder sind die (rollen-)spielerischen Möglichkeiten in Vergessenheit geraten, die sich durch den Einsatz dieser Figuren bieten?
Zeit für einen Rückblick auf die 70er und 80er, als H&H noch fester Bestandteil des Spiels waren.
Bild: Mariela Schöffman |
Bereits im ersten Band des D&D Regelwerks von 1974 widmet Gary Gygax dem Anwerben von NSC knapp zwei Seiten:
„In all probability the referee will find it beneficial to allow participants in the campaign to "hire into service" one or more characters.“
In den folgenden Ausführungen unterscheidet Gygax zwischen Söldnern (Mercenaries) und dem Gefolge (Entourage). Erstere bezeichnen NSC, die für ein Abenteuer angeheuert werden, einen Anteil an der Beute erhalten und anschließend wieder ihrer Wege ziehen. Das Gefolge hingegen sind NSC, die dem Spielercharakteren langfristig dienen.
Doch wozu ein Gefolge? In den frühen Zeiten des Hobbys war es üblich, dass die SC ab einer bestimmten Stufe das Dungeon-Erkunden an den Nagel hängten und sich statt dessen zu Herren über Burgen und Schlösser machten. Politische Ränkespiele, Kriege und die Verwaltung von Landstrichen rückten in den Vordergrund des Spiels. Doch wer herrschen will, braucht jene, denen er befehlen kann. Daher das Gefolge.
„Men, dwarves and elves will serve as retainers with relative loyalty so long they receive their pay regularly, are treated fairly [and] are not continually exposed to extra-hazardous duty ...“
Sollte ein NSC dennoch in eine extrem gefährliche Lage geraten (oder getrieben werden), wird daher ein Probewurf auf Moral fällig. Scheitert die Probe, weigert der NSC sich die Handlung auszuführen oder läuft davon.
Gefolgsleute gesucht!
Doch wo finden die Spieler jene, die mutig oder verzweifelt genug sind, sich von ihnen anwerben zu lassen? Gygax schlägt vor, in Gasthöfen und Tabernen Zettel zu hinterlassen mit dem Hinweis, dass die SC Handwerker und Söldner anheuern. Ebenso könnten die Spieler bezahlte Ausrufer an öffentliche Orte schicken, wo diese lautstark verkünden, welche Art von Spezialisten die SC suchen. Wollen die Spieler gezielt Elfen oder Zwergen anstellen, müssten sie Boten in deren Länder schicken.
Ist erst einmal ein passender Kandidat gefunden, muss dieser überzeugt werden in die Dienste der SC zu treten. Gygax schlägt hundert Goldstücke als Minimalgebot vor, um dem potentiellen Gefolgsmann eine Zusage zu entlocken. Zwerge würden tendenziell mehr verlangen, Magier könnten durch das Überlassen seltener Gegenstände ins Dienstverhältnis gelockt werden, Kleriker mit der Aussicht auf einen eigenen Kultplatz für ihre Gottheit.
Dabei wird rasch klar: Der Unterhalt von Söldnern und Gefolge ist nicht billig ist. Zusätzlich zu den hundert Goldstücken wollen sie einen Anteil an der Beute oder erwarten monatliche Zahlungen, Verpflegung und Unterkunft.
Zwischen Erfolg und Niederlage
Worin unterscheiden sie sich? Während der Mietling eine Art bezahlter Arbeiter ist (Schmied, Kutschenfahrer, Wache, usw.) ist der Gefolgsmann dem SC persönlich verbunden. Dazu Gygax:
„A henchman is a more or less devoted follower of a character. In return of use of his or her abilities and talents, the henchman receives support, lodging, and a share of his or her master's or mistress' earnings ...“
Im 1979 erschienenen Dungeon Master’s Guide geht Gygax noch etwas genauer auf den Typus Gefolgsmann (Henchman) ein:
”Henchmen, whether male or female, are greatly desired by the discerning players, for they usually spell the difference between failure and success in the long term view. They are useful in individual adventures as a safety measure against the machinations of rival player characters, provide strength to the character and his stronghold, and lastly serve as a means of adventuring when the player character is unable to.“
Interessant an diesem Absatz ist, dass es in Gygax' Spielrunden offenbar zu Konflikten zwischen den SC kam (rival player characters), was sicher mit den unterschiedlichen Alignments der Charaktere zu tun gehabt hatte. Wenn Spieler A weiß, dass dem chaotisch-bösen Dieb von Spieler B nicht zu trauen ist, wirbt er natürlich Gefolgsleute an, die seinem SC den Rücken frei halten. Klingt nach Spass.
Weiters erfahren wir, dass es offenbar üblich war, Gefolgsleute anstelle der SC auf Abenteuer zu schicken. Sei es, weil der SC verwundet war oder sich (als Burgherr) um wichtigere Angelegenheiten kümmern musste. Eine interessante Möglichkeit Ersatzcharaktere aufzubauen, für den Fall, dass der Hauptcharakter einmal stirbt.
Mehr Schlagkraft, weniger XP
Je nach dem, wie gut das Angebot und wie hoch der Charisma-Wert des SC ist, erhält der Spieler auf den Würfelwurf (2W6) Boni oder Mali. Am Ende willigt der NSC ein oder lehnt das Angebot entrüstet ab (sollte der SC recht knausrig sein, spricht sich das natürlich herum und wirkt sich negativ auf zukünftige Versuche aus, NSC anzuwerben).
Was bereits im AD&D-Regelwerk von 1978 angedeutet wurde, verdeutlichen die Basic Rules: Mietlinge und Gefolgsleute kosten nicht nur Gold, sondern auch XP. Werden am Ende eines Dungeon-Crawls die geborgenen Schätze und XP verteilt, erhält jeder NSC einen vollen Anteil daran. Was bedeutet: Je mehr Gefolgsleute und Mietlinge im Dungeon, desto weniger XP für die SC und desto langsamer erreichen sie neue Stufen.
Wir heuern an!
Egal ob sie als Gefolgsleute und Mietlinge, als Fackelträger oder Söldner auftreten, angeheuerte NSC können das Spiel in jedem Fall bereichern. Wichtig ist dabei aber - das haben uns die Regeln aus den 70ern und 80ern gezeigt - dass Kosten und Nutzen die Waage halten und sie von den Spielern nicht als Kanonenfutter gegen allzu schwere Gegner oder Fallen missbraucht werden.
Da Burgen-Herrschafts-Abenteuer heute etwas aus der Mode gekommen sind und ein umfangreiches Gefolge daher eher nicht nötig ist, macht es wahrscheinlich Sinn die NSC auf einfache Träger und Spezialisten zu reduzieren.
Spezialisten hingegen (Söldner, Diebe, Magier, usw.) verlangen einen vollen Anteil an der Beute, sind dafür aber auch bereit zu kämpfen. Werden sie extrem gefährlichen Situationen ausgesetzt, wirft der Spieler eine Probe auf ihren Moral-Wert. Um den SC nicht die Show zu stehlen, sollten die angeworbenen Spezialisten immer niedrig-stufiger sein als die Spielerfiguren.
Die NSC agieren normalerweise als eigenständige Figuren, was bedeutet, dass sie im Kampf ihren eigenen Attackewurf bekommen. Um Zeit zu sparen, könnte anstelle des Attackewurfes der SC einen Kampfbonus durch den Gefolgsmann an seiner Seite erhalten.
Denkbar wäre ein Bonus auf den Attacke- oder Schadenswurf, ein erhöhter Rüstungswert oder, im Falle eines tödlichen Treffers, eine 50-prozentige Chance, dass der Gefolgsmann an Stelle des SC stirbt.
Nicht nur bieten diese Charakterzüge viel Potential für Rollenspiel im Dungeon, sie erinnern die Spieler auch daran, dass angeheuerte NSC Dinge nicht nur erleichtern, sondern an anderer Stelle auch verkomplizieren können.
In diesem Sinne: Verteilt Flugblätter, schickt Stadtschreier aus und gebt den Henchmen und Hirelings eine Chance!
August 09, 2021
Review: The Saint of Bruckstadt
Over there at RPG Overview Brandon Goeringer did an extensive video-review of our OSR-adventure The Saint of Bruckstadt. His conclusion: "Highly recommended".
Juli 30, 2021
Der Tempel des Frosches
Mit dieser Zeile beginnt das erste, jemals von TSR publizierte Abenteuer „Tempel des Frosches" (Temple of the Frog). Das 20-seitige Szenario war Teil des zweiten Ergänzungsbandes zum D&D-Regelwerk: Blackmoor. Der von Dave Arneson verfasste Text erschien 1975.
Worum geht’s?
Die sogenannten Brüder des Sumpfes sind eine Vereinigung von Mönchen unter Führung eines Priesters, die ein radikales Ziel verfolgen: Da sie erkannt haben, welche Gefahr vom Mensch für alles Leben auf der Erde ausgeht, beschlossen sie, das Ende der menschlichen Spezies herbeizuführen. In den Kellern ihres Tempels züchten sie daher Killer-Frösche: „... einen halben Meter lang, mit Rasiermesser-scharfen Zähnen und Krallen, um jedes Opfer, das sie auf Befehl hin angreifen, zu zerfleischen.“
Konsequent zu Ende gedacht, müssten die Mönche sich irgendwann selbst den Fröschen zum Fraß vorwerfen. Ob sich die Gemeinschaft dessen bewusst ist, wird im Text nicht weiter ausgeführt. Zu fragen wäre außerdem, ob diese Killer-Frösche, nachdem sie die Menschheit ausgerottet haben, auch alle anderen Lebewesen auffressen werden und die Menschheit, in Gestalt der Mönche, erst recht dafür verantwortlich wäre, alles Leben auf der Erde ausgelöscht zu haben (denn spätestens wenn sie nichts mehr zu fressen haben, sterben auch die Killer-Frösche).
Besuch aus dem Weltall
Auf diese zweiseitige Einführung folgt die Beschreibung des Tempels, der Wehranlagen und der Keller, die durch insgesamt sechs handgezeichnete Karten der Anlage veranschaulicht wird.
Dem Leser des Textes wird rasch klar, dass der Tempel ausgesprochen gut bewacht ist. Wehrmauer, Türme, ein Graben, Zugbrücke, Eisentore, Katapulte, Speerschleudern und Patrouillen bei Tag und Nacht - Die Tempelfestung kann dem Angriff einer kleinen Armee durchaus standhalten.
Der Tempel und seine Räume sind detailliert beschrieben, tiefgehende Beschreibungen der Figuren (Motive, Ziele, Aussehen) sucht man jedoch vergebens. Selbst vom Hohepriester, Stephan der Stein, erfahren wir nur, dass er eine besondere Rüstung trägt, magische Waffen führt und eine fliegende Erste-Hilfe-Apparatur inklusive Kommunikationsanlage besitzt, über die er mit einer, um die Erde kreisenden Satelliten-Station in Verbindung steht.
Ja, eine Satelliten-Station. Denn, wie wir erfahren: „[Stephan der Stein] ... ist nicht aus der Welt von Blackmoor, sondern ein intelligenter Humanoid von einer anderen Welt/einer anderen Dimension.“
Darüber hinaus bleibt der Außerirdische aber blass. Wir es aussieht, wie er sich gegenüber seinen Untergebenen verhält, wie ein Gespräch mit ihm verlaufen könnte, erfahren wir nicht. Nur, dass er sich in der Rolle des Hohepriesters und Herrschers gefällt.
Ein Himmelfahrtskommando?
Die Beschreibung des Tempels gibt einen vorwiegend strategisch/taktischen Blick auf die Anlage; Wie dick sind die Mauern, wie stabil die Tore und Türen? Wo sind Wachen aufgestellt und woher kommt gegebenenfalls Verstärkung?
Die Leser erfahren, dass die Anlage von einer überwältigenden Menge an Feinden bewacht wird: Neben Ordensbrüdern und Banditen treffen die Spieler auf Riesenschlangen und -Ratten, Trolle, Ghoule, Medusen und Froschmenschen. Im Graben um den Tempel und im Zuchtteich lauern 1.200 Killer-Frösche. Auf der Wehrmauern patrouillieren zu jeder Zeit 150 Wachen. Im ersten Kellerstockwerk unterhalb des Tempels sind weitere 1.000 Wachen bereit, um bei einem möglichen Angriff einzugreifen.
Liest man diese Beschreibung, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es sich hierbei um ein Szenario für ein Strategiespiel handelt, mit der Mission, einen befestigten Tempel zu erstürmen. Eine Spielergruppe von vier bis sechs Charakteren, wie sie heute üblich sind, wird dazu allerdings nicht ausreichen.
Massenkampf mit Chainmail
Die Sache wird rasch klarer, hält man sich vor Augen, dass die Spielrunden der 70er Jahre aus 50 und mehr Spielern bestehen konnten. Hatten deren Charaktere zusätzlich Gefolgsleute und Mietlinge bei sich, konnten sie es mit dem kleinen Heer, das den Tempel bewacht, durchaus aufnehmen.
Zur Größe von Spielgruppen steht im ersten Band des D&D Regelwerks von 1974 folgendes zu lesen:
"Anzahl der Spieler: Mindestens ein Spielleiter (referee) und zwischen vier und fünfzig Spieler sind für eine einzelne Kampagne vorgesehen, wobei das Verhältnis von Spielleitern zu Spielern bei etwa 1:20 liegen sollte."
Es ist bekannt, dass Gary Gygax mehrere Spielergruppen an der selben Kampagne teilnehmen ließ, die dann, an unterschiedlichen Wochentagen, das Spielgeschehen vorantrieben. So war es denkbar, dass eine Spielergruppe am Dienstag einen Wachturm einnahm über den am Mittwoch eine zweite Gruppe tiefer in die Tempelfestung vordringen konnte.
Zur Frage, wie der Spielleiter mit den für heutige Zeiten unmöglich groß erscheinenden Spielergruppen umging, habe ich hier etwas gepostet. Daher möchte ich an dieser Stelle nur in aller Kürze auf die Spielerrolle des Callers eingehen, wie es sie ihn frühen D&D-Zeiten gab. Dieser "Rufer" hatte die Aufgabe, die zuvor von der Spielergruppe gefassten Pläne an den Spielleiter zu kommunizieren. Der SL musste daher nicht jeden einzelnen Spieler befragen (was tust du?), sondern hörte nur auf den Caller, was das Spiel in großen Runden deutlich beschleunigte.
Ankündigung in eigener Sache
April 28, 2021
Was taugt der D&D-Klassiker "The Keep on the Borderlands"?
Das Jahr 1979 war ein gutes für Dungeons. Im August präsentierte Gary Gygax auf der Gen Con XII den Abenteuerband The Village of Hommlet. Im Dezember publizierte TSR ein weiteres Abenteuermodul, ebenfalls von Gygax geschrieben: The Keep on the Borderlands.
Swords for hire
Mietlinge und Fackelträger sind bis heute beliebt bei OSR-Spielen, während sie beim offiziellen D&D in den Hintergrund gerückt sind. So hilfreich diese Gefolgsleute gerade in Spielen mit kleinen Gruppen sein können, darf doch der Aufwand für den SL nicht unterschätzt werden. In den OSR-Regelwerken gibt es unterschiedliche Ansätze, wie mit diesen NSC im Kampf verfahren wird. Einige simulieren ihre Kampfkraft, indem die SC, je nach Anzahl und Erfahrung der Mietlinge, Boni auf ihre Attacken oder ihren Rüstungswert erhalten. Gygax macht im Buch keine Angaben dazu.
Ein sicherer Hafen
Der Titel The Keep on the Borderlands stellt eine namentlich nicht genannte Grenzfestung in den Mittelpunkt des Abenteuers. Gygax hat diese Home Base mit einigen Details ausgestattet, um die Festung ein Stück weit zum Leben zu erwecken und mehr aus ihr zu machen, als einen ummauerten Laden für Ausrüstung und Waffen. „Die Festung ist ein Mikrokosmos, eine Welt in Miniatur“, schreibt Gygax.
Und natürlich können die Spieler einige NSC treffen, woraus sich, je nach Verhalten der Spieler, Vor- und Nachteile ergeben können. So ist es für die SC von Vorteil, wenn sie sich mit dem einflussreichen Gildenmeister und dem Burgvogt gut stellen. Ein Juwelen-Händler, der darauf wartet, mit einer Karawane sicher in die Zivilisation zurückzukehren, könnte Auftraggeber für ein Folgeabenteuer sein und der ach so sympathische, Bier-saufende Priester wartet nur darauf (Achtung: Spoiler!), von den SC als Begleiter für die Dungeon-Expedition angeworben zu werden, um ihnen dann in den Rücken zu fallen.
Dass die Grenzfestung bis ins letzte Detail ausgearbeitet ist, würde ich nicht unterschreiben. Es gibt definitiv Potential für tiefergehende Beschreibungen, wie zum Beispiel dunkle Geheimnisse, Liebschaften und Spannungen zwischen den Bewohnern, usw. Wie die Grenzfestung selbst hat übrigens auch keiner der NSC einen Namen (laut Gygax wurde darauf verzichtet, um das Modul möglichst einfach in bestehende Kampagnen einbauen zu können). Aber auch der Grund, warum die SC ihr Leben im Dungeon riskieren sollten, ist auf den ersten Blick nicht ganz klar.
Wildnis im Quadrat
Die Festung ist von Wildnis - Wälder, Fluss, Sumpf - umgeben. Auf der Karte, übrigens in Quadrate, nicht in Hex-Felder unterteilt, sind fünf Orte beschrieben, an denen es für die Spieler etwas zu entdecken gibt. Der von der Festung am weitesten entfernte Ort ist der Dungeon "Die Höhlen des Chaos". Ein mittelgroßes Areal, in dem es viel zu holen, aber auch viel Gelegenheit zum Sterben gibt.
Gygax skizziert, wie sich die Dungeon-Bewohner im Falle eines Angriffs verhalten, woher gegebenenfalls Verstärkung kommt und wohin sie fliehen, sollte es notwendig sein. Er schlägt außerdem vor, die Monster aus gemachten Erfahrungen lernen zu lassen. Konnten die SC einige von ihnen meucheln, werden die Monster darauf reagieren und ihre Verteidigung verbessern indem sie Fallen aufstellen und die Wachen verdoppeln.
Magie bis zum Abwinken
Resümee
The Keep on the Borderlands ist bis heute das am öftesten gedruckte D&D-Modul. Schätzungen zufolge wurden insgesamt 1,5 Millionen Exemplare verkauft. Zusätzlich gab es zahlreiche Überarbeitungen und Fortsetzungen des Abenteuers, das Gygax laut eigener Auskunft binnen einer Woche geschrieben hatte.
April 13, 2021
Der Vampir - eine Spurensuche
Ernst Stöhrs Vampir erschien 1899 in der Zeitschrift Ver Sacrum |
In den Sommertagen des Jahres 1725 langt ein Schreiben am Wiener Hof ein. Absender ist ein kaiserlicher Militärbeamter, der für den Grenzdistrikt Gradisca in Slawonien verantwortlich ist. Er berichtet von einer unbekannten Seuche, die ein Dorf namens Kisolova heimgesucht habe. Innerhalb von acht Tagen sind neun Menschen, alte und junge, nach kurzer Krankheit verstorben. Schuld an ihrem raschen Tod seien, so schreibt der Beamte, blutsaugende Tote, «so sie vampyri nennen»*.
Ein slawonischer Vampir
Die Bewohner des slawonischen Dorfes Kisolova sind Wehrbauern, die an den brüchigen Grenzen des Habsburger Reiches siedeln. Ihr Auftrag: Das Grenzland so lange gegen möglich einfallende Osmanen zu verteidigen, bis reguläre Truppen eintreffen. Im Gegenzug sind sie von Leibeigenschaft und Abgaben befreit. In seinem Brief beschreibt der kaiserliche Beamte, wie er das Dorf gemeinsam mit einem orthodoxen Priester aufsucht, um sich Klarheit über die Todesfälle zu verschaffen.
Vor Ort erwarten ihn ein geöffnetes Grab und die drei Monate alte Leiche des Peter Plogojewitz. Dieser, so die feste Überzeugung der Dorfbewohner, sei schuld an den Todesfällen, indem er den Menschen ihr Blut ausgesaugt habe. Von der Leiche ging kein Verwesungsgestank aus, die Haut war rosig, Nägel und Haare nachgewachsen, schreibt der Beamte in seinem Bericht. Für die Grenzer das untrügliche Zeichen, dass es sich um einen Vampir handle.
Tod an der Morava
Nordserbien, 1731. In den letzten Herbsttagen des Jahres sterben im Dorf Medwegya innerhalb von sechs Wochen dreizehn Menschen. Das Dorf liegt am Fluss Morava, die dort lebenden Heyducken sind Teil einer Milizkompanie, die die Reichsgrenze gegen die Türken verteidigen. Das für die Region zuständige Militärkommando entsendet den kaiserlichen Seuchenarzt Glaser. Am 12. Dezember trifft er im Dorf ein.
Ratlose Gelehrte
Das militärische Oberkommando in Belgrad ist beunruhigt und ordnet eine «chyrurgische Visitation» an. Am 7. Jänner 1732 erreicht Regimentsfeldscher Johann Flückinger das Dorf Medwegya. Seine Nachforschungen ergeben, dass vor fünf Jahren ein Mann namens Arnont Paule sich beim Sturz von einem Heuwagen das Genick brach. Dieser habe zu Lebzeiten erzählt, er sei im Osmanischen Reich von einem Vampir angefallen worden.
Arnont Paule sei daher der erste Vampir im Dorf Medwegya gewesen. Nach den 17 Toten der vergangenen drei Monate und den unverwesten Leichen sind die Dorfbewohner überzeugt, «daß sich wiederumben einige Vampyrs allhier befinden». Noch am selben Nachmittag lässt der Arzt 16 Gräber öffnen und obduziert die Leichen. Zehn davon, so wird der Regimentsfeldscher später aussagen, haben sich in ihren Särgen «im Vampirstande» befunden. Mit nachgewachsenen Finger- und Zehennägeln, Kleider und Leichentücher durchnässt von frischem Blut, das aus Ohren, Nasen, Mündern und Geschlechtsteilen floss. Hinweise auf Krankheiten habe auch er nicht gefunden.
Die Nachricht von der Vampirseuche gelangt über Belgrad und Wien bis in die Zeitungsredaktionen in Paris und London und an die sächsischen und thüringischen Universitäten, wo sie rege Diskussionen unter den Gelehrten auslöst. In den akademischen Abhandlungen wird der «Vampyrismus» nicht als Legende abgetan, sondern als Krankheit beschrieben.
Das Ende des Vampirs
Wien, 1755. Kaiser Karl VI. ruht seit 15 Jahren in einem Sarkophag in der Kapuzinergruft. Seine Tochter Maria Theresia leitet jetzt die Geschicke der Monarchie. Im Jänner erreicht die Nachricht den Wiener Hof, wonach eine Vampirin in Mähren (heutiges Tschechien) gepfählt und verbrannt wurde. Auch in dieser Gegend der Habsburger Monarchie ist die Vampirtradition verwurzelt: Bereits 1731 wurden neun Vampire bei Olmütz am Scheiterhaufen verbrannt, darunter sieben Kinder.
Die Auferstehung
Während der Vampir sich aus der Alltagswelt der Menschen zurückzog, hielt er mit Beginn des 19. Jahrhunderts Einzug in die Welt von Literatur und Film. Von John Polidoris The Vampyre (1819) und Alexej Tolstois Die Familie des Wurdalak (1839) über Bram Stokers Dracula (1897) und den von Friedrich Wilhelm Murnau inszenierten Film Nosferatu (1922) bis zu diversen Hollywood-Produktionen. Die Faszination für die Kreatur aus dem Grab hat sich bis heute gehalten.
* Die Zitate stammen aus dem Buch "Mortuus non mordet. Kommentierte Dokumentation zum Vampirismus 1689–1791" von Klaus Hamberger. Die zitierten Briefe und Berichte sind im Hofkammerarchiv in Wien aufbewahrt.
The vampire - a search for traces
A search for traces in the borderlands of the past Habsburg monarchy.
Ernst Stöhr's Vampire appeared in 1899 in the magazine Ver Sacrum |
Vienna, 1725: Emperor Charles VI, the last male scion of the House of Habsburg, reigns in the baroque capital. The emperor waged a successful war in the Balkans: seven years have passed since he wrested Slavonia (eastern Croatia), northern Serbia, the Banat of Timisoara (Hungary) and Little Wallachia (Romania) from the Turks. But the peace is an uneasy one. And it soon became clear that the crescent-shaped strip of conquered land is home to a plague that is to occupy the monarchy's scholars for the next 30 years.
In the summer days of 1725, a letter arrives at the Viennese court. The sender is an imperial military official responsible for the border district of Gradisca in Slavonia. He reports an unknown plague that has struck a village called Kisolova. Within eight days, nine people, old and young, died after a short illness. The official writes that bloodsucking dead people, "they call vampyri, "* are to blame for their rapid deaths.
A Slavonian vampire
The inhabitants of the Slavonian village of Kisolova are so called Wehrbauern. Farmers who settle on the fragile borders of the Habsburg Empire with the mission to defend the borderland against possible invading Ottomans until regular troops arrive. In return, they are exempt from serfdom and taxes. In his letter, the imperial official describes how he visits the village together with an Orthodox priest to get clarification about the deaths.
On the spot, an open grave and the three-month-old corpse of Peter Plogojewitz await him. The villagers were convinced that the corpse was responsible for the deaths by sucking the people's blood. The corpse did not emit the stench of decay, the skin was rosy, nails and hair had grown back, the official wrote in his report. For the border guards, this was an unmistakable sign that it was a vampire.
Death on the Morava
Northern Serbia, 1731. In the last days of autumn, thirteen people die in the village of Medwegya within six weeks. The village is located on the Morava River, and the Heyducks living there are part of a militia company defending the imperial border against the Turks. The military command responsible for the region sends the imperial epidemiologist Glaser. He arrives in the village on December 12.
The doctor wants to get to the bottom of the matter. He has graves opened. Glaser is astonished when he finds the corpses in a state of undecayedness, the bodies swollen with fresh blood in the mouth, "which seems suspect to me myself," he admits. In his letter, Glaser supports the villagers' desire to stake the dead. So that the subjects have their way and do not abandon the village, as he argues. But between the lines hangs the doubt of the learned doctor, who cannot explain what he found in the damp earth of the village cemetery.
Perplexed scholars
The military high command in Belgrade is concerned and orders a "chyrurgical visitation". On January 7, 1732, regimental sergeant Johann Flückinger arrives in the village of Medwegya. His investigations reveal that five years ago a man named Arnont Paule broke his neck falling from a hay cart. The latter had told during his lifetime that he had been attacked by a vampire in the Ottoman Empire.
Following the beliefs of the people Arnont Paule was therefore the first vampire in the village of Medwegya. After the 17 deaths of the past three months and the undecomposed corpses, the villagers are convinced "that there are again some vampyrs here". That same afternoon, the doctor has 16 graves opened and autopsies the bodies. Ten of them, the regimental sergeant will later testify, have been "in the vampire state" in their coffins. With regrown finger and toe nails, clothes and shrouds soaked with fresh blood flowing from ears, noses, mouths and genitals. He also found no evidence of disease.
"After the visitation, the heads of the vampires were cut off by the gypsies and burned along with their bodies, the ashes thrown into the Morova River," the doctor concluded his report.
Via Belgrade and Vienna the news of the vampire epidemic reaches the newspaper editors in Paris and London and the universities in Saxony and Thuringia, where it triggers lively discussions among scholars. In many of the books and treatises of the time "vampyrism" is not dismissed as a legend, but described as a disease.
The end of the vampire
Vienna, 1755: Emperor Charles VI has been resting in his sarcophagus in the Capuchin crypt for 15 years. His daughter Maria Theresa is now in charge of the monarchy. In January, news reaches the Viennese court that a vampiress has been staked and burned in Moravia (today's Czech Republic). The vampire tradition is also rooted in this region of the Habsburg monarchy: As early as 1731, nine vampires were burned at the stake near Olomouc, including seven children.
The enlightened monarch wants to put an end to the goings-on and commissions her personal physician Gerard van Swieten to shed light on the matter. In his vampirism pamphlet, he concludes that the phenomenon is due to natural causes such as fermentation processes and lack of air, which prevents decomposition. The dying, he says, was a result of epidemics later identified as anthrax or rabies. He writes that "all the noise comes from nothing but a vain fear, from a superstitious credulity, from a dark and agitated phantasy, simplicity and ignorance among that people".
Maria Theresa follows the insight of her personal physician and bans by decree the traditional defensive measures against vampires: beheading, impaling and burning corpses. Ten years later, vampirism is no longer discussed as a disease, but is relegated to the "history of superstition" section in encyclopedias.
The Afterglow
While the vampire retreated from the everyday world of humans, he entered the world of literature and film with the beginning of the 19th century. From John Polidori's The Vampyre (1819) and Alexei Tolstoy's The Family of Wurdalak (1839) to Bram Stoker's Dracula (1897) and the film Nosferatu (1922), directed by Friedrich Wilhelm Murnau, to various Hollywood productions. The fascination with the creature from the grave has endured to this day.
* The quotes are taken from the book „Mortuus non mordet. Kommentierte Dokumentation zum Vampirismus 1689-1791“ by Klaus Hamberger. The letters and reports cited are preserved in the Hofkammerarchiv in Vienna.
März 03, 2021
Dungeon-Crawl im Dreißigjährigen Krieg
Es ist soweit! Gazer Press startet heute mit dem Verkauf des neuen Abenteuerbandes „Der Heilige von Bruckstadt“. Warum das einen Blogeintrag wert ist? Weil ich selbst Teil des Teams bin und denke, dass das Abenteuer für euch interessant sein könnte.
Um was geht's?
Herbst 1632. Der Dreißigjährige Krieg verwüstet Deutschland. Heere und ihre Trosse fressen die Kornkammern leer und rauben das Vieh der Bauern. Zurück bleiben niedergebrannte Städte, Hunger und Pest, die ganze Landstriche in Friedhöfe verwandelt.
Bruckstadt blieb bisher vom Weltuntergang verschont. Die Bewohner führen das auf den Schutz des Heiligen Jakobus zurück. Doch das traditionelle Fest zu Ehren des Heiligen konnte in diesem Jahr nicht gefeiert werden. Die Explosion des städtischen Pulverlagers verschüttete den Zugang zur Gruft des Stadtpatrons. Der Pakt zwischen Jakobus und den Bürgern Bruckstadts droht zu brechen, falls nicht bis Ende des Monats ein anderer Weg zur Heiligengruft gefunden wird.
Dungeon-Crawl im Dreißigjährigen Krieg?!
Ja, das Abenteuer hat eine historische Kulisse: Dreißigjähriger Krieg, Feuerwaffen und katholische Heiligenverehrung. Aber dabei bleibt es nicht, denn die Grenze zum Übernatürlichem ist dünn und je tiefer die Figuren in die Katakomben unterhalb Bruckstadts vordringen, desto durchlässiger wird sie.
Wie die Testspiele zeigten, ist der Dungeon ein gefährlicher Ort. Auf den Unvorsichtigen warten Flüche von jenseits des Grabes und Fallen, die qualvolle Tode bereiten. Uralte Geheimnisse versprechen Macht und stürzen denjenigen in den Wahnsinn, der zu schwach ist, den Blick hinter die Schatten zu ertragen. Und ganz unten in der Gruft, wo die Verdammten ihren Schmerz mit Blut an die Wände schmieren, lauert ER: Seit einem halben Jahrtausend tot, zurückgekommen, um zu strafen.
That's all?
Bei Weitem nicht. Da wäre noch Bruckstadt, das Örtchen am Katzbach, dessen Einwohner nicht so fromm sind, wie sie sich geben. Die Ruine Aarhorst, wo sich kürzlich ein Söldnerhaufen unter Führung einer Kreolen-Prinzessin eingenistet hat und ein einsames Hügelgrab, von dem die Bauern sagen, dass nachts die Geister der Toten um das Steinkreuz auf seiner Kuppe tanzen. Und dann gibt es noch das Wolfsmoor. Ein einsamer Landstrich, der im Mittelalter Rückzugsort eines Kultes war, von dem es heißt, dass seine Anhänger bis heute der alten Kröte in unsagbaren Ritualen huldigen.
Das Spielsystem?
Geschrieben wurde das Abenteuer mit Blick auf das Regelwerk von Lamentations of the Flame Princess. Wir berücksichtigen daher deren Skill-System und führen bei den NSC die LotFP-Werte an (Rüstung, Bewegung, Trefferpunkte, Schaden, Moral).
Es soll aber ausdrücklich betont werden, dass „Der Heilige von Bruckstadt“ mit jedem Old School-Regelwerk spielbar ist, d.h. mit Regelwerken, die auf den frühen Versionen von D&D basieren. Im Buch werden daher bei den geforderten Proben immer Alternativen zu den LotFP-Skills angeführt.
Wer es mit dem Regelwerk von LotFP spielen möchte und die Printausgabe nicht besitzt, kann hier die kostenlose PDF-Version herunterladen.
Stimmen aus der Szene?
Wo kaufen?!
Kaufen könnt ihr den Abenteuerband direkt in unserem E-Shop oder bei Sphärenmeisters Spiele. Wer das Buch lieber im Laden ums Eck kaufen möchte, kann das bei Plant Harry in Wien tun. Die Liste wird laufend erweitert.
Januar 24, 2021
Dungeon-Crawl: Spaziergang oder Expedition?
Illustration: Mariela Schöffmann |
Mit den bei den Testspielen gesammelten Erfahrungen möchte ich ein paar Worte über Dungeon-Expeditionen schreiben. Ein Dungeon-Crawl lebt nicht nur von Monstern und Schätzen. Die Orientierung unter der Erde, die Wahl der richtigen Ausrüstung, der Verbrauch von Fackeln, Wasser und Nahrung können ebenfalls wesentliche Elemente des Spiels sein.
Weil uns bei den Testspielen Expeditions-Feeling wichtig war, wollten wir daher diese Punkte nicht ignorieren. Die Frage war, nach welchen Regeln das geschehen sollte? Hier ein kurzer Bericht, was bei unseren Spielrunden geklappt hat und was weniger.
Einer der wichtigsten Punkte ist die Frage der Orientierung: Zeichnen die Spieler die Karte selbst, oder bekommen sie eine vom SL vorgelegt. Da wir Corona-bedingt vom Wohnzimmertisch auf die Online-Plattform Roll20 ausweichen mussten, haben wir das Fog-of-War-System genutzt. Da ich bereits im letzten Blogeintrag über Kartografie im Dungeon geschrieben habe, gehe ich an dieser Stelle nicht noch einmal darauf ein.
Eine weitere wichtige Entscheidung, die maßgeblich zur Stimmung während des Dungeon-Runs beiträgt: Wie handhabt die Spielergruppe Dinge wie Traglast und Licht? Am einfachsten für alle Beteiligten ist davon auszugehen, dass die SC immer genügend Fackeln und Lampenöl mit sich führen. Auch die Traglast lässt sich entspannt handhaben, indem sie nur in Extremfällen beachtet wird. Etwa, wenn ein SC versucht, eine ganze Waffenkammer mit in den Dungeon zu schleppen, oder die hunderte Kilo schwere, antike Goldstatue einfach so in seinen Rucksack packen möchte.
Doch diese wenig aufwändige Spielvariante geht meist auf Kosten des Expeditions-Feelings. Lässt man sich ein Stück weit auf Mikro-Management ein, kann das Spannung und Spieltiefe maßgeblich erhöhen.
Runden zählen, aber wie?
Der Spielleiter sollte zunächst die (gezeichnete oder vorgelegte) Karte einziehen, die SC können sich nur an den Wänden entlang tastend vorwärts bewegen. Glücklich jene Spieler, die sich den Verlauf der Gänge in etwa gemerkt haben und rasch zurück ans Tageslicht finden. Für die anderen kann diese Situation leicht in einen Todesmarsch eskalieren. Kämpfe, auch gegen einfache Gegner, werden im Handumdrehen zu einer Herausforderung, da die SC wegen ihrer “Blindheit” hohe Abzüge auf Angriffswürfe hinnehmen müssen. Wie viel Wasser und Nahrung führen sie mit sich? Wie lange dauert es, bis sie verdursten?
Solche Episoden machen Dungeon-Expeditionen noch einmal spannender und gefährlicher. Doch dazu muss gewährleistet sein, dass Fackeln, Lampenöl, der Inhalt von Wasserflaschen und Proviant-Rationen nicht nur exakt verzeichnet sind, sondern auch ihr Verbrauch dokumentiert wird. Das kann auf unterschiedliche Weise geschehen. Das Players Handbook von 1978 schlägt vor, die Zeit bei einem Dungeon-Run in Runden (Turns) zu unterteilen, wobei eine Runde einer Dauer von zehn Minuten entspricht. Eine Fackel wäre daher nach sechs Spielrunden heruntergebrannt.
Je nach dem, ob die SC schleichen, gehen oder laufen, können sie innerhalb der zehn Minuten eine bestimmte Strecke im Dungeon zurücklegen. Die verstrichene Zeit lässt sich daher anhand der zurückgelegten Wegstrecke messen. Doch Spieler lassen ihre Figuren nicht nur marschieren, sie suchen nach Fallen, öffnen verschlossene Türen, kämpfen und schlagen Lager auf, um sich um die Verwundeten zu kümmern. Manche Spielergruppen zählen die Runden daher mithilfe von Markern, was auch den Vorteil hat, dass die verstrichene Zeit für jeden am Tisch sichtbar wird.
Es mag Gruppen geben, für die das Zählen von Runden auf diese oder andere Weise gut funktioniert. In unseren Testrunden hat es das nicht getan. So sehr ich es schätze, Traglast und Licht mitzudenken, so wenig hab ich mich mit dem Rundenzählen anfreunden können. Für den Spielleiter war es eine zusätzliche (lästige) Aufgabe und wenn es ein Spieler übernommen hat, geschah es immer wieder, dass auf das Zählen vergessen wurde, weil so viel anderes geschieht, dass die Aufmerksamkeit fesselt.
Bei unseren Testspielen hat sich daher eine lockere Handhabung der Lichtfrage bewährt: Zunächst erhielt jede Lichtquelle eine bestimmte Anzahl an Lichtpunkten. Eine Kerze wenige, eine Fackel mehr, die Öllampe am meisten. Jedes Mal, wenn ein Spieler eine Probe ablegte (Kraft-Probe, Schloss öffnen, Suchen nach Fallen, …) reduzierte sich automatisch die Brenndauer aller aktiven Lichtquellen um 1 Punkt. Je öfter daher eine Probe wiederholt werden musste, desto mehr Licht wurde verbraucht.
Klar, das ist keine realistische Simulation, nach der die Lichtquellen sich kontinuierlich verbrauchen müssten und nicht nur, wenn Proben abgelegt werden. Aber für unser Spiel hat es funktioniert.
1. Weil niemand mehr Runden zählen musste und nach einer kurzen Gewöhnungsphase das Ablegen einer Probe ganz automatisch mit dem Abstreichen von Lichtpunkten einherging.
2. Weil es plötzlich nicht mehr bedeutungslos war, ob der SC eine Probe beim ersten oder beim x-tan Mal schafft, da jeder Patzer zusätzlichen Lichtverlust bedeutete.
Traglast leicht gemacht
Abhängig von seiner Traglast verliert der SC Bewegungspunkte. Will die Gruppe vor einem übermächtigen Gegner fliehen, vergleicht der SL den Bewegungswert der einzelnen SC mit jenem des Monsters. Wer zu langsam ist, kann entweder Ausrüstung (Schätze) abwerfen, oder muss sich dem Kampf stellen.
Es braucht also nicht zwingend eine aufwändige Buchhaltung, um den Verbrauch von Lichtquellen und die Traglast zu simulieren. Vorausgesetzt die Spielergruppe möchte mit weniger Realismus zugunsten einfacherer Spielregeln leben.
Wie handhabt ihr eure Dungeon-Expeditionen, wieviel Realismus ist euch wichtig?